Spiel um Macht und Liebe (German Edition)
Freundinnen und ihr eigenes Leben. Sie wird erwachsen.“
Und das Letzte, was sie will, ist, Zeit mit mir zu verbringen, stellte Saul fest, während er Karen verbittert ausreden ließ. Es fiel ihm jetzt schwer, sich vorzustellen, dass sie einmal verheiratet gewesen waren und alle Zärtlichkeiten ausgetauscht hatten, die zu einer Ehe dazugehörten. Manchmal war es für ihn noch schwerer, sich daran zu erinnern, weshalb sie geheiratet hatten und sich alle seine damaligen Gefühle in Erinnerung zu rufen.
Jetzt fühlte er sich gefühlsmäßig völlig ausgebrannt und unfähig, überhaupt etwas zu empfinden, selbst im Rückblick. Immer mehr fühlte er sich, als habe er den Draht zu allen anderen Menschen verloren und lebe jetzt in einem luftleeren Raum, in dem es nichts anderes als seine eigenen ungewohnten und erschreckenden Zweifel gab.
„Wieso einigen wir uns nicht, dass sie dich nächstes Wochenende besuchen kommen?“, fragte Karen nach.
„Ich fürchte, mein nächstes Wochenende ist verplant“, sagte Saul ihr. „Ich fahre nächste Woche nach Cheshire.“
„Du willst Christie besuchen?“
Er konnte das Staunen in Karens Stimme hören und hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück, sie zu verbessern und darauf hinzuweisen, dass er geschäftlich nach Cheshire fuhr.
Beim Gedanken daran, wie leicht er fast diesen verräterischen Fehler begangen hätte, wurde ihm ganz kalt. Darin zeigte sich, wie sehr seine Konzentration und seine Kontrolle nachließen. Der Grund seiner Fahrt nach Cheshire sollte vertraulich bleiben. Nicht dass Karen dem irgendwelche Bedeutung beigemessen hätte, wenn er ihr gesagt hätte, dass er beruflich nach Cheshire reiste, doch das war nicht der entscheidende Punkt.
Er beendete das Telefonat, ohne Karen zu fragen, ob er mit einem seiner Kinder sprechen könne. Nicht weil er es nicht wollte, sondern weil er erkannt hatte, dass wahrscheinlich keiner von beiden mit ihm sprechen wollte. Das war nicht ihr Fehler, sondern sein eigener. Als Vater war er nicht sehr erfolgreich gewesen, oder? Er war nicht für sie da gewesen.
Ganz im Gegensatz zu seinem eigenen Vater. Der war immer für ihn da gewesen. Während seiner Kindheit, seiner frühen Jugend, und sogar nach dem Tod hatte Saul die Gegenwart seines Vaters gespürt und war von dem Wissen getröstet gewesen, dass er die Träume seines Vaters erfüllte. Erst in letzter Zeit verlor er diese Nähe, die er immer gefühlt hatte. Diese innere Überzeugung, dass er mit den Zielen seines Vaters auch seine eigenen Träume erfüllte, war ihm abhandengekommen.
Sein Vater und er hatten sich immer so nahegestanden. Gegen diese Nähe hatte Christie sich aufgelehnt.
Er lächelte leicht, als er an seine Schwester dachte. Sie hatte sich immer über irgendetwas aufgeregt, und in gewisser Weise hatte sich daran nichts geändert. Sie passte in kein Schema, folgte ihren eigenen Prinzipien voller Energie und war in ihrem Drang nach Unabhängigkeit so entschlossen, dass es Saul nicht wunderte, dass sie nie geheiratet hatte.
Außerdem war sie eine wunderbare Mutter. Mit viel mehr Erfolg, als er als Vater hatte. Er bewunderte die Art, mit der sie Cathy allein aufgezogen hatte, genauso wie er die Beharrlichkeit bewunderte, mit der sie ihrer Karriere und ihrem Beruf als Allgemeinärztin nachging.
Kurz nach dem Abschluss ihres Studiums war Cathy geboren, und selbst jetzt, nach zwölf Jahren, wusste er nicht genau, wer der Vater seiner Nichte war. Nur dass es ein verheirateter Mann gewesen war, der nichts mit seinem Kind oder der Mutter zu tun haben wollte.
Saul wählte die Nummer und lächelte, als er den vertrauten heiseren und kurz angebundenen Ton ihrer Stimme hörte.
„Willst du herkommen und bei mir wohnen? Natürlich kannst du das, aber wieso? Was ist los?“, fragte sie mit schwesterlicher Direktheit.
„Nichts ist los“, erwiderte Saul. „Ich habe nur ein paar Geschäfte in der Gegend zu erledigen und dachte …“
„Du könntest das Geld fürs Hotel sparen, indem du bei mir wohnst. Und das soll ich dir glauben, Saul?“, spottete sie. „Klingt mehr nach irgendwelchen geheimen Projekten für deinen werten Chef. Ich kenne dich doch. Niemals würdest du freiwillig auf die Annehmlichkeiten einer Luxussuite verzichten. Wenn du dich in das Chaos meiner Wohnung begibst, muss das wichtige Gründe haben.“
„Es sei denn, ich wollte zufälligerweise dich und Cathy wiedersehen“, entgegnete Saul kühl.
Ihre Bemerkung hatte ihn an einer wunden Stelle
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