Spiel ums Glueck
damit ich dem erfahrenen Mr Blackley nicht wieder über den Weg laufe.“ „Ach, sei still, du dummes Gänschen“, schimpfte Amariah in zärtlichem Ton. „Du warst dem Gentleman gegenüber bewundernswert gelassen, meine Liebe. Du hast ihn weder angeschrien noch ihm eine Ohrfeige versetzt wie ein Fischweib. Du warst außerordentlich zurückhaltend, bedenkt man, wie gern das Temperament mit dir durchgeht. Denn sicherlich hättest du nichts lieber getan, als ihm den Hals umzudrehen, habe ich recht?“
Cassia schwieg. Amariahs Beobachtung hatte sie nichts hinzuzufügen.
„Aber das nächste Mal wirst du dich nicht von ihm überrumpeln lassen, nicht wahr?“ Die Schwester lächelte und bedachte sie mit einem aufmerksamen und zugleich nachdenklichen Blick. „Weder von ihm noch von irgendeinem anderen Gentleman. Du musst dafür sorgen, dass sich eine Begebenheit wie diese nicht wiederholt.“
„Ich werde mir die größte Mühe geben, es nicht annähernd so weit kommen zu lassen, Amariah“, versicherte Cassia eifrig.
Die Schwestern lächelten einander verschmitzt zu, und Cassia spürte, wie ihr eine große Last von den Schultern fiel. Sie hatte nichts verdorben oder ihren Schwestern Schande gemacht. Als Amariah obendrein vergnügt vorschlug, zu dritt eine Ausfahrt in den Hyde Park zu unternehmen, um sich nach den jüngsten Ereignissen selbstbewusst in der Öffentlichkeit zu zeigen, hob sich ihre Laune, und ihre Zuversicht war wieder völlig hergestellt.
Drei rothaarige Schönheiten wie die Penny-Schwestern sollten selbst in einer Stadt wie London nicht schwer zu finden sein, dachte Richard und hielt seinen Wallach zu leichtem Trab an, während er durch den Park ritt und hier und da passierenden Reitern oder anderen Ausflüglern höflich zunickte. Die Bäume oder die blühenden Büsche interessierten ihn ebenso wenig wie die Frauen, die ihm aus ihren offenen Kutschen zulächelten. Er war auf der Jagd nach einer ganz besonderen Beute, und für ein paar Münzen hatte er in „Penny House“ von einem Lakaien erfahren, wo er seine Suche beginnen musste. Eine Dame mit flammend roten Locken zu finden, begleitet von ihren ebenfalls nicht unattraktiven Schwestern, durfte sich leichter gestalten, als eine Nadel im Heuhaufen zu finden, auch wenn der Hyde Park größere Ausmaße hatte als irgendeine Plantage in Übersee und von Flaneuren übersät war.
Noch bevor er die Schwestern sichtete, drang Cassias glockenklares Lachen aus einem Eibenhain zu seiner Rechten an seine Ohren. Es war ein fröhliches, unbekümmertes Lachen und gehörte so unmissverständlich zu ihr wie ihre leuchtend rote Haarpracht. Rasch ritt Richard auf einen Seitenpfad zu, der hinter dem Wäldchen auf einen Kutschenweg führte, denn dort vermutete er die junge Frau. Er sollte recht behalten: Als er um die Ecke bog, sah er sie vergnügt mit den Schwestern plaudernd in einer Chaise sitzen.
„Miss Penny“, begrüßte er sie und zog die Zügel an, als er mit ihrem Gefährt gleichauf war. „Endlich habe ich Sie gefunden.“
Sie wandte sich ihm zu, das Lächeln, das nicht ihm gegolten hatte, lag ihr nach wie vor verheißungsvoll auf ihren sinnlichen Lippen. „Liebe Güte! Ich wusste ja gar nicht, dass ich verloren gegangen war! “
„Sie sind mir verloren gegangen. Ich muss mit Ihnen sprechen.“
„Nur zu, Mr Blackley.“ Sie lehnte sich in die schwarzen Lederpolster zurück und drehte den Griff ihres Sonnenschirms gerade so viel in ihrer schmalen Hand, dass sie ihn besser sehen konnte, ohne ihr Gesicht dabei der Sonne auszusetzen. Sie war schlicht, wenn nicht gar bescheiden gekleidet in ihrem hochgeschlossenen weißen Musselinkleid, über dem sie eine Redingote trug. So wirkt sie schon eher wie die Pfarrerstochter, die sie vorgibt zu sein, ging es ihm durch den Kopf. Jedenfalls sieht sie nicht aus wie die Besitzerin eines Londoner Clubs.
Sie reckte das Kinn vor. „Hier bin ich und höre Ihnen zu.“ Er vergeudete keine Zeit und brachte ohne Umschweife hervor, was ihn seit heute früh beschäftigte. „Weshalb zum Teufel haben Sie das Geld nicht behalten?“
„Weil es Ihres ist, Mr Blackley“, erwiderte sie lächelnd, doch die unbeschwerte Herzlichkeit war aus ihrem Antlitz gewichen. „Sie haben die Summe rechtmäßig gewonnen, und es war nur recht und billig, sie Ihnen zu geben.“
„Aber es war ein Geschenk an Sie“, erklärte er, „für Ihre verdammten mildtätigen Zwecke, für die Armen und Witwen oder die streunenden Hunde am
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