Spiel ums Glueck
scheinen eine Pechsträhne zu haben, Blackley.“ Lord Ralcyn warf ihm einen finsteren Blick zu. Am Ansatz seiner Perücke hatten sich feine Schweißperlen abgesetzt, die ihm allmählich in die gepuderte Stirn und die Nase hinabrannen. „Oder liegt es vielleicht daran, dass Ihre Arbeiterhände nicht dazu fähig sind, ordentlich zu würfeln?“
„Neun, Sir. Sieben gegen fünf.“
Wann habe ich je so lange am Spieltisch gesessen? fragte sich Richard erregt. Vielleicht habe ich ja wirklich eine Pechsträhne.
„Drei, Sir. Sieben gegen fünf.“
Ein Lakai kam in den Salon und brachte eine neue Flasche Portwein. Richard sah hoch, abgelenkt von dem leisen Gemurmel, das von der Halle her an sein Ohr drang, und gewahrte durch die offene Tür eine Traube neugieriger Gentlemen, die einen Blick auf den Spieltisch zu erhaschen hoff-ten. Mitten unter ihnen stand Cassia, deren blaue Augen in ihrem bleichen Gesicht noch intensiver leuchteten als sonst. Wusste sie, dass Lord Ralcyn mit von der Partie war? Wusste sie, wie prompt er auf dessen Herausforderung eingegangen war?
Ohne auf den Tisch vor sich zu schauen, ließ er die Würfel aus dem Becher purzeln.
Eine Vier und eine Drei.
„Sieben, Sir“, verkündete Walthrip ruhig, ohne die geringste Gefühlsregung zu zeigen. „Das Glück gewinnt, Sir.“ Der Raum war erfüllt von Jubelrufen und Applaus, und manche Zuschauer stürzten auf Richard zu, um ihm anerkennend auf die Schulter zu klopfen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er verteufelt großes Glück gehabt hatte. Doch alles, was er fühlte, war Erschöpfung, die wie eine enorme Welle über ihn hinwegrollte. Hätte er sich nicht in die Polster seines Stuhl lehnen können, wäre er mit Sicherheit vornüber auf den mit grünem Filz bespannten Tisch gesunken. Ihm gegenüber, wie er nun bemerkte, stand Ralcyn - stumm, reglos und mit versteinerter Miene. Er hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und sah Walthrip dabei zu, wie dieser seine Spielmarken im Wert von zwanzigtausend Pfund mit der Harke einsammelte - wohl wissend, dass er den Betrag an die Hausbank entrichten musste, bevor er den Club heute Nacht verließ.
„Purer Zufall, Blackley“, brachte er mit zusammengebissenen Zähnen hervor. „Einem Affen wäre das über kurz oder lang auch gelungen, wenn man ihm den Würfelbecher in die Hand gedrückt hätte.“
„Ist es nicht genau das, was den Reiz von Hasard ausmacht?“ Richard erhob sich. Offensichtlich war Ralcyn nicht gewillt, ihn in Ruhe zu lassen. „Die Würfel hätten ebenso gut zu Ihren Gunsten fallen können. “
„Aber das taten sie nicht.“ Lord Ralcyn lehnte sich über den Tisch und sah seinen Kontrahenten mit zusammengekniffenen Augen an. „Wir sind noch nicht quitt, Blackley.
Niemand beleidigt unsere Familie und läuft ungestraft herum. Nehmen Sie das zur Kenntnis, und seien Sie auf der Hut.“ Er machte auf dem Absatz kehrt, ohne eine Antwort abzuwarten. Richard war es gleichgültig. Er hatte ohnehin keine passende Entgegnung parat und war zu erschöpft, um sich eine auszudenken. Er bahnte sich einen Weg zwischen den Zuschauern hindurch, um den Salon so zügig wie möglich zu verlassen.
Mit Sicherheit wartete Cassia draußen auf ihn, und als er schließlich vor ihr stand, begrüßte sie ihn mit einem knappen Nicken. Sie sah erschöpft aus, obwohl sie die Schultern gestrafft hielt. Er fragte sich, wie es ihrer Hand ging und was sie von ihm dachte, nachdem er sie fast an diesen Mann verspielt hätte.
„Nun, Richard“, sagte sie in einem Tonfall, als seien sie die Einzigen in der großen Halle, „ich nehme an, Sie sind hier, um Ihren Gewinn abzuholen.“
„Nicht jetzt“, erwiderte er mit rauer Stimme. „Noch nicht. Ihretwegen habe ich mir in den letzten paar Stunden zwei Feinde gemacht, Cassia. Der Himmel möge verhüten, dass weitere hinzukommen.“
Er wandte sich ab, eilte die Treppe hinunter und verließ schnurstracks das Haus.
8. Kapitel
Luke stand am Heck der „Three Sisters“ und winkte den Matrosen nach, die sich in einem Beiboot auf den Weg zum Hafen machten. Er hätte
sich gewünscht, dass er imstande gewesen wäre, passendere Worte zum Abschied zu finden, denn die Mannschaft hatte ihn auf der langen Überfahrt als einen der Ihren akzeptiert. Seine Kameraden ahnten es nicht, aber dies würde das letzte Mal sein, dass sie ihn sahen.
„Zieh kein so langes Gesicht, Lukey-Boy“, forderte ihn der Bootsmann auf, der neben ihn an die Reling getreten war. „Du
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