Spiel ums Glueck
Unterfangen. Während die meisten ihrer Gepäckstücke auf dem Kutschendach verschnürt wurden, stellte man ihr Bethanys Korb direkt vor die Füße und eine der beiden Tasche neben die Knie. Es war ohnehin sehr beengt in dem Gefährt, und Richard, der ein hochgewachsener Mann war, wirkte noch größer, als er neben ihr Platz genommen hatte.
Er klopfte gegen das Dach, und sogleich setzte die Chaise sich in Bewegung.
„Keine Tränen mehr?“, fragte er vorsichtig und sah sie an, als befürchtete er den Ausbruch einer Sintflut oder einer anderen Naturkatastrophe. „Es ist schließlich nicht so, dass ich Sie deportieren wollte. Und Sie haben den Bedingungen des Hasardspiels freiwillig zugestimmt.“
„Ich weiß“, erwiderte sie, als „Penny House“ hinter einer Straßenbiegung verschwunden war. „Und ich werde zu meinem Wort stehen. “
„Damit kann ich mich wohl zufriedengeben.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Aber dieser theatralische Abschied von Ihren Schwestern - Sie taten ja gerade so, als würde ich Sie in Ketten legen und in die Verbannung schicken.“
„Ich kann nichts dafür“, sagte sie unglücklich und verbot sich, das Taschentuch aus ihrem Ridikül zu nehmen, damit er sie nicht für eine Heulsuse hielt. „Abschiedsszenen rühren mich eben.“
Er runzelte verständnislos die Stirn. „Das ist eine sentimentale Schrulle.“
„Ist es nicht! “, rief sie empört. „Meine Schwestern sind die einzige Familie, die ich habe, und ich liebe sie sehr. Sich von den Menschen trennen zu müssen, die einem etwas bedeuten, fällt keinem leicht - das müssen Sie doch wissen.“
Er zögerte, und seine Augen unter der Hutkrempe wurden seltsam ausdruckslos. „Nicht wirklich. Nein, das weiß ich nicht“, gab er zu. „Als ich Lancaster verließ, war meine Mutter längst tot und mein Vater mit einer neuen Frau fortgegangen. Und meine Schwestern hatten bereits ihre eigenen Familien und Sorgen. Ich habe noch nie einen Menschen weinend und trauernd zurückgelassen. Und derlei schmerzhafte Empfindungen vermisse ich auch nicht. “
„Sie haben niemanden, den es kümmert, was aus Ihnen wird?“, wollte sie wissen und sah ihn ungläubig an. In ihrer Familie war sie stets von Liebe umgeben gewesen, und sie konnte sich nicht vorstellen, ohne diese Geborgenheit zu leben. „Nicht einen Menschen auf der Welt?“
„Keinen, wie Sie ihn sich vorstellen. Ich neige nicht zu solchen dramatischen Gefühlsäußerungen.“
„Wie leid es mir für Sie tut“, äußerte sie leise. „Und für diese Frau, die Sie zu heiraten gedenken.“
„Sie können sich Ihr Mitleid sparen“, sagte er mit unverändert gleichmütiger Miene. „Bis jetzt bin ich hervorragend allein zurechtgekommen. Und meine Gattin wird mich so zu nehmen lernen, wie ich bin, da bin ich sicher.“
Cassia vermochte seine Überzeugung nicht zu teilen. Sie konnte nur hoffen, dass Lady Anne so viel Rückgrat hatte, um gegen diesen offenkundigen Unsinn aufzubegehren. Sie empfand Bedauern für die junge Dame.
Richard blickte auf ihre Hände, die ordentlich gefaltet in ihrem Schoß ruhten. „Haben Sie wegen Ihres Handgelenks einen Doktor konsultiert?“
Sie neigte den Kopf zur Seite. „Denken Sie nicht, dass diese Frage bereits zu viel Sorge um mein Wohlergehen verraten könnte? Haben Sie keine Angst, dass ich Ihnen nun irgendeine rührselige Szene mache?“
Er seufzte und lehnte den Kopf gegen die abgenutzten Polster. „Ich habe aus einer rein praktischen Erwägung heraus gefragt, Mädchen. Wenn Sie Schmerzen hätten, würde ich Sie meinem Arzt vorstellen. Schließlich stehen Sie mir nicht länger als einen Monat zur Verfügung. Mit einer verkrüppelten Hand wären Sie mir nur halb so nützlich. “
„Wie überaus freundlich und aufmerksam von Ihnen, Mr Blackley.“ Sie hob die besagte Hand, drehte sie erst in die eine, dann in die andere Richtung, um ihm zu demonstrieren, wie es um das Gelenk bestellt war. „Wie Sie sehen, Mr Blackley, ist es nach wie vor ein wenig steif, aber der Bluterguss färbt sich allmählich gelb, und in wenigen Tagen wird es mir wieder gut gehen, als sei nicht das Geringste geschehen. Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, ich habe keinen Arzt konsultiert, und Sie brauchen nicht um meinetwillen Ihren Leibarzt zu bemühen.“
„Wie überaus freundlich von Ihnen“, erwiderte Richard und setzte ein steifes Lächeln auf.
„Seien Sie vorsichtig, Mr Blackley, andernfalls kommen Ihnen am Ende doch noch die Tränen.
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