Spiel ums Glueck
gehörst nicht unter diese Zechbrüder, jetzt noch nicht. Saufen, huren und den letzten Penny ausgeben, den man in der Tasche hat - du bist zu jung für diesen Unsinn.“ „Aye, aye, Sir.“ Luke ließ den Blick zum Ufer hinüberschweifen, dem sich das Beiboot mit jedem Ruderschlag näherte. Der Bootsmann klopfte ihm auf die Schulter. „Du bleibst heute Nacht an Bord, Luke. Hier hast du es gemütlich und bist gut aufgehoben. Deine Zeit wird früh genug kommen. Aber fürs Erste ist der Londoner Hafen kein Ort für einen kleinen Kerl wie dich.“
Luke nickte, ohne den Bootsmann anzusehen. Er hatte soeben eine Steintreppe entdeckt, die hinauf zum Hafengelände führte. Und von dort aus gelangte man gewiss ohne Schwierigkeiten in die Stadt. Irgendwann heute Nacht, wenn die letzte Wache ihren Dienst tat, würde er mit seinen wenigen Habseligkeiten und seiner Heuer von Bord klettern
und zum Ufer hinüberschwimmen. Er würde schwimmen, ohne Wellen zu erzeugen. Jeder erfahrene Junge aus Martinique war dazu in der Lage. Bis zum Morgengrauen würde niemand auf der „Three Sisters“ sein Verschwinden bemerken, und Captain Rogers würde bestimmt zu dem Schluss kommen, dass es einfacher war, ihn zu ersetzen, als ihn in einer großen Stadt wie London zu suchen.
Luke reckte den Hals, um mehr von den Dächern, Schornsteinen und Kirchtürmen zu sehen, von denen es hier unzählige zu geben schien. Dass London so riesig war, hätte er sich nicht träumen lassen. Und ohne jedweden Anlaufpunkt in der Stadt wusste er nicht recht, wo er mit seiner Suche beginnen sollte.
Über seinen Vater war ihm nur wenig bekannt; lediglich das, was die Mutter ihm erzählt und was er heimlich in Erfahrung gebracht hatte. Er kannte seinen Namen und wusste, dass er aus Lancaster stammte und als Matrose nach Barbados gekommen war. Dort hatte er beim Glücksspiel eine Zuckerrohrplantage gewonnen und war ein äußerst wohlhabender Mann geworden. Es hieß, dass das Glück ihm über all die Jahre hold geblieben war. Luke hatte herausgefunden, dass er seine Plantage einem Aufseher anvertraut und Barbados verlassen hatte, um nach London zu gehen - wo er, wie Luke sich ausmalte, in einem silberdurchwirkten Mantel mit diamantenbesetzten Knöpfen Bälle besuchte und mit der Königin tanzte.
Aber das Wichtigste war, dass sein Vater nichts von seiner Existenz wusste.
Luke legte den Kopf in den Nacken und suchte den Himmel nach dem Polarstem ab, der ihn auf seiner langen Reise über das Meer begleitet hatte. Der Anblick des hellen, funkelnden Sterns tröstete ihn, und er lächelte. Captain Rogers hatte ihm erzählt, dass ein Seemann seinen Kurs unweigerlich fand, solange er den Polarstern im Auge behielt. Bald schon, nach all den Wochen auf hoher See, würde Luke endlich seinem Vater Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen.
„Bist du sicher, dass du an alles gedacht hast, was du brauchen wirst, Cassia?“ Amariah kniete sich hin, um das Schloss der Reisetruhe zu überprüfen. „Mir erscheint dein Gepäck ein wenig spärlich für einen ganzen Monat.“
„Ich werde nicht jeden Tag ein neues Ballkleid benötigen, Amariah. Ich unternehme keine Vergnügungstour, sondern fahre nach Greenwood, um das Haus umzugestalten.“ Zufrieden betrachtete Cassia die Behältnisse, die sie mitnehmen würde: eine mittelgroße Truhe, ihre Hutschachtel sowie zwei kleinere Taschen. Bei dieser sparsamen Reiseausrüstung würde nicht einmal Richard Blackley auf die Idee kommen, dass sie auch nur einen Tag länger als verabredet in seinem Haus blieb.
Amariah erhob sich seufzend und klopfte sich den Staub von den Händen. „Ich hoffe, du findest bei all der Arbeit ein paar Mußestunden, in denen du London eine Weile vergessen und dich amüsieren kannst. Vielleicht hast du sogar Gelegenheit, wie in Woodbury durch die Felder und Wälder zu streifen.“
„Du solltest statt meiner nach Greenwood gehen“, erwiderte Cassia, raffte ihre Röcke und machte, um die Schwester zu necken, einen Knicks. „In die Sommerfrische!“
Sie sah zur Kaminuhr. „Er hat sich bereits eine halbe Stunde verspätet, und du weißt, wie ich es verabscheue, wenn man mich warten lässt. Diese Nachlässigkeit werde ich ihm abgewöhnen müssen, wenn wir zusammen irgendetwas auf die Beine stellen wollen.“
„Ich dachte, du bist engagiert worden, um Greenwood Hall auf Hochglanz zu bringen, nicht die Manieren seines Besitzers“, antwortete Amariah belustigt. „Du solltest allerdings einige Ecken im Haus
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