Spiel ums Glueck
Sie nicht?“
„Sie scheinen sich lieber davonzustehlen“, rief Bolton so laut, dass seine röhrende Stimme in der Straße nachhallte. Er nickte zu der Chaise hinüber. „Aber was kann man von einem feigen Bastard wie Ihnen auch anderes erwarten?“ Richard atmete einmal tief durch, dann ein zweites Mal. Er würde sich nicht von Bolton provozieren lassen. Seit drei Tagen ignorierte er die Forderung von Boltons Sekundanten, und er würde nicht ausgerechnet jetzt auf das törichte Begehren des Mannes eingehen und sich mit ihm duellieren. Nichts hätte er damit gewonnen, stattdessen vielleicht alles verloren, wenn er sich hinreißen ließe.
„Beleidigen Sie mich, sooft es Ihnen beliebt, Mylord“, erwiderte er betont ruhig. „Ich werde meine Meinung nicht ändern.“
„Dann wird Sie das hier vielleicht umstimmen!“ Bolton zog seinen Degen. „Ich verlange Genugtuung von Ihnen, und ich werde Sie nicht eher gehen lassen, bis Sie meine Forderung annehmen.“
„Nein! schrie Cassia entsetzt und kämpfte mit dem Griff der Kutschentür. „Das können Sie nicht tun, Sir!“
Lord Bolton ignorierte sie und ließ den Blick nicht von Richard ab. „Sie haben mich der Lächerlichkeit preisgegeben, Blackley, und meinen Onkel ebenfalls! Das werde ich nicht ungesühnt lassen.“
Endlich war es Cassia gelungen, den Schlag zu öffnen. Sie kletterte geschwind aus der Chaise. „Es ist alles meine Schuld, Mr Blackley, meinetwegen ist Seine Lordschaft so aufgebracht!“
„Bleiben Sie, wo Sie sind, Miss Penny!“, rief Richard ihr zu, doch im selben Augenblick stürzte Bolton bereits auf sie zu.
„Halten Sie den Mund, Sie kleine Hure, sonst bringe ich Sie zum Schweigen!“ Ein Geräusch hinter ihm lenkte ihn jedoch ab, und er schaute sich irritiert um. Richard sah seine Chance gekommen und warf sich auf den Mann. Binnen weniger Sekunden hatte er ihm den Degen aus der Hand geschlagen, und Cassia eilte hinzu, um ihn hastig an sich zu nehmen. Dann geschah alles sehr schnell. Der Portier und einige Lakaien stürzten herbei und halfen Richard, Bolton zu überwältigen. Cassia raste das Herz wie wild, und sie hatte das Gefühl, im nächsten Moment in Ohnmacht zu fallen. Sie begann zu schwanken, doch zum Glück war Richard rechtzeitig bei ihr, nahm ihr die schwere Waffe aus der Hand und stützte sie.
„Um Himmels willen, was ist los mit Ihnen, Mädchen?“ Er hatte seinen Hut verloren, und seine Wange verunzierte eine tiefe Schramme. Anstatt sich jedoch um seine Blessuren zu kümmern, schien er eingenommen von der Sorge um sie. „Sind Sie verletzt?“
Sie schüttelte den Kopf, unfähig, einen Ton hervorzubringen. Richard händigte dem Portier den Degen aus.
„Ich denke, Seine Lordschaft wird ihn zurückhaben wollen, wenn er wieder bei Sinnen ist. Kommen Sie, Miss Penny, wir sollten längst auf dem Weg sein.“
„Wollen Sie nicht mit dem Magistrat sprechen und sich über Lord Bolton beschweren?“, fragte der Portier und maß den am Boden liegenden Bewusstlosen mit angewiderter Miene.
„Nein. Ich habe es eilig“, erklärte Richard, während er Cassia in die Kutsche half. Nachdem ein Lakai ihm seinen Hut gebracht hatte, stieg auch er in die Chaise und rief dem Portier durch das offene Fenster zu: „Wir überlassen Bolton am besten sich selbst. Soll er sehen, wie er sich aus der Affäre zieht!“
9. Kapitel
Cassia brauchte eine geraume Weile, um sich von der Aufregung über den Vorfall vor dem „Clarendon“ zu erholen. Gewalt hatte der Vater stets ver
urteilt, angefangen von Raufereien bis hin zu den ohnehin verbotenen Duellen. Und da es daheim nie eine Waffe gegeben hatte, war sie zutiefst erschrocken gewesen, als Bolton den Degen gezogen hatte.
„Wo haben Sie so gut mit den Fäusten zu kämpfen gelernt?“, wollte sie wissen und blickte zu Richard auf, der nachdenklich aus dem Kutschenfenster geschaut hatte.
„Niemand hat es mir beigebracht, wenn es das ist, was Sie wissen wollen. Auch mit einem Degen oder irgendeiner anderen Klinge habe ich nicht gelernt umzugehen, und daher bin ich froh, dass es nicht zu einem Duell gekommen ist. Hätte er eine Pistole gewählt, wäre es vielleicht etwas anderes gewesen.“ Er ballte die Faust und betrachtete sie versonnen. „In den Straßen von Lancaster, wo ich geboren bin, wird ein Junge häufiger geschlagen als liebkost. Dort lernt man, sich zu wehren und zu überleben.“
„Oh.“ Wieder dachte sie an zu Hause, an das friedvolle Fleckchen Erde in Woodbury. Wie
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