Spiel ums Glueck
Richard beugte sich vor und stützte, wie um seinen Standpunkt zu unterstreichen, die Ellenbogen auf die Knie. „Möchten Sie wirklich, dass ganz London - in den Kaffeehäusern gleichermaßen wie in den Zeitungen - darüber spricht, sich ärgert oder amüsiert, dass Ihretwegen beinahe ein Duell ausgetragen worden wäre? Sie denken, dass die Klatschblätter Sie ohnehin schon plagen? Dann wissen Sie nicht, was Ihnen entgeht: Ihr Name würde wie ein Knochen einem Rudel hungriger Wölfe zugeworfen. Und wenn Sie die ganze Geschichte erst einmal vor Gericht beschworen hätten, nun, Cassia Penny, dann wären Sie die berüchtigtste junge Frau im ganzen Königreich.“
„Das glaube ich nicht“, widersprach sie, obwohl ihre gespielte Tapferkeit sich allmählich in Luft auflöste. Der Teufel soll ihn holen, dachte sie, er hat recht. Der Skandal würde nicht nur sie überrollen, sondern auch ihre Schwestern.
„Nun, dann wären Sie eben die zweitberüchtigtste Frau im Land“, lenkte er ein. „Ich gehe davon aus, dass die Schlafgemächer des Prince of Wales Ihnen fremd sind.“
„Mr Blackley!“, rief sie schockiert aus. „Bitte bedenken Sie, wen Sie vor sich haben! “
„Oh, dann werde ich Ihnen die Frage, die Ihnen so auf der Seele brennt, beantworten“, sagte er, wobei er stark an sich halten musste, nicht herzhaft zu lachen. „Ich wollte den Magistrat Ihretwegen nicht hinzuziehen.“
Cassia drückte das Kinn auf die Brust und bedachte ihn mit einem entnervten Seitenblick. Was soll ich auf diese Bemerkung antworten? ging es ihr durch den Kopf. Sie mochte müde sein von den vorangegangenen Strapazen, oder vielleicht war sie tatsächlich ein wenig beschränkt. Das Letzte indes, das sie in diesem Moment gebrauchen konnte, war, dass er sich über sie lustig machte. „Bitte vergeben Sie mir, dass ich begriffsstutzig bin, Mr Blackley“, begann sie, „aber ich verstehe nicht ... “
„Richard.“ Seine Augen wirkten in dem durch die Fenster hereinscheinenden Sonnenlicht fast silbern, und sie war nahe daran zu vergessen, wie rüpelhaft er sich ihr gegenüber meist zu benehmen pflegte. „Es ist doch gar nicht so schwer, ihn auszusprechen, nicht wahr?“
Cassia atmete tief durch und wagte einen zweiten Versuch. „Bitte vergeben Sie mir, dass ich begriffsstutzig bin, Mr Blackley, aber ich verstehe nicht ..."
„Und ich verstehe nicht, weshalb Sie mir diesen kleinen Wunsch, uns mit den Vornamen anzusprechen, nicht erfüllen“, fiel er ihr ins Wort. „,Mr Blackley“ klingt so, als sei ich Ihr Anwalt oder ein Bürovorsteher.“
Sie seufzte und schloss die Augen, um ihre Fassung zurückzugewinnen, und presste die Fingerspitzen gegen die Schläfen. „Also schön, Richard, ich füge mich Ihrem Wunsch, Richard, weil ich andernfalls nie eine Antwort auf meine Frage erhalte. Und meine Frage ist wichtiger als die, ob ich Sie bei Ihrem Vornamen oder Nachnamen nenne, Richard. “
„Vielen Dank, Cassia.“ Er streckte seine Hand zu ihr vor, als beabsichtigte er, sie auf ihr Knie zu legen, doch in letzter Sekunde ließ er sie neben sich auf die Bank sinken und lächelte schief ob seiner ihn plötzlich heimsuchenden Skrupel. „Nun, fragen Sie mich freiheraus.“
Sie betrachtete seine wohlgeformte, kräftige Hand, deren sonnengebräunte Haut sich von dem hellen Stoff der Poster abhob, und versuchte nicht daran zu denken, wie sehr sie sich danach sehnte, dass er ihre damit hielt. In der großen Hast, mit der sie die Kutschentür geöffnet hatte, als sie ihm vor dem „Clarendon“ zu Hilfe eilen wollte, waren ihre Handschuhe verloren gegangen, und sie konnte sich vorstellen, wie warm und sanft seine Finger ihre umschließen würden.
„Weshalb kümmert Sie mein Name oder meine Ehre oder ob beide Tagesgespräch würden?“, wollte sie wissen. „Sie sagten doch, dass Sie lediglich um Ihr eigenes Wohlergehen besorgt seien und das Schicksal anderer Sie nicht interessiere. Und im Gegenzug scherten sich andere nicht um Sie. Weshalb also sollte ich Ihnen einen solchen Aufwand wert sein?“ Sie blickte gerade noch rechtzeitig zu ihm auf, um einen Schatten über seine Augen huschen zu sehen. Vielleicht war es aber auch nur eine Wolke, die vorüberzog und für den Hauch eines Augenblicks die Sonne verdunkelte.
„Die Frage ist leicht zu beantworten“, erwiderte er so leise, dass sie ihn ob des Hufschlags und der quietschenden Geräusche, welche die neumodischen Federn erzeugten, kaum hören konnte. „Sie kamen mir zu Hilfe,
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