Spielball Erde: Machtkämpfe im Klimawandel (German Edition)
zerbrechlich und ein so kostbarer kleiner Punkt in diesem Universum. Du erkennst, dass auf diesem kleinen, blau-weißen Ding alles liegt, was für dich von Bedeutung ist. Die ganze Geschichte und die Musik und die Poesie und die Kunst und der Krieg und der Tod und die Geburt und die Liebe und die Tränen und die Freude und die Spiele – alles findet sich auf diesem Punkt da draußen, der so klein ist, dass dein Daumen ihn verdecken kann. Und dir wird klar, dass dieser Anblick dich verändert hat.« 4
Wir können nicht alle so weit da rausfliegen, damit wir den gleichen Weitblick bekommen wie die Crews der Apollo-Raumschiffe. Wir müssen es auch so schaffen, die Folgen unserer eigenen Taten unter Kontrolle zu bekommen – gemeinsam und in Frieden. Das wird schwierig und wird nicht überall gelingen, weil die alten Mechanismen schon wieder greifen, das Recht des Stärkeren und die Aufteilung der Welt in Sieger und Verlierer. Wenn das so weitergeht, werden am Ende alle verlieren, weil wir im endlosen Schwarz eben nur diesen einen kleinen Ball haben, der uns (er)trägt.
Ich bin kein Astronaut geworden, nicht mal Pilot. Einen Blick aus dem All kann ich nicht bieten. Aber ich bin Reporter und bekam die Chance, über einen Zeitraum von fast zwei Jahren an viele Schauplätze einer Entwicklung zu reisen, die niemanden kalt lassen kann. Dieses Buch erzählt davon. Es soll helfen, den Blick dafür zu schärfen, wo die Konfliktlinien aufbrechen, wo von allen Aufmerksamkeit gefordert ist, und vielleicht auch die Bereitschaft wecken, eigene Ansprüche und Sichtweisen infrage zu stellen. Dafür wurde es geschrieben.
Seit vielen Jahren ist Angela Andersen – eine deutsche Journalistin, die in den USA lebt – meine Partnerin und Co-Autorin bei den meisten Filmprojekten. So auch bei der großen, zweiteiligen ZDF -Dokumentation Machtfaktor Erde , die sich 2011 ähnlichen Fragen widmete wie dieses Buch. Angelas Beiträge waren hier wie da unschätzbar wertvoll. An den verschiedensten Orten der Welt begegnete uns bei Recherchen und Drehreisen, zunächst als Name in Gesprächen und dann auch persönlich, die angesehene kanadische Strategie-Expertin Cleo Paskal. Sie hat 2010 mit ihrem bahnbrechenden Buch Global Warring den Blick darauf gelenkt, »wie«, so der englische Untertitel, »Krisen in Umwelt, Wirtschaft und Politik die Weltkarte neu zeichnen werden«. 5 Ihre internationalen Verbindungen und Kenntnisse sind eine unverzichtbare Säule dieses Buchs. Sie hat den Inhalt ihres Werks für unsere gemeinsame Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Sollte das Buch in Ihren Händen Fehler enthalten, sind sie jedoch meine allein.
1 http://www.atmosphere.mpg.de/enid/68acece8e68fce8eec5ea3c31b6ec2fe,0/
personal_Crutzen/antropocene_ey.html
http://www.anthropocene.info/en/anthropocene
2 http://www.atmosphere.mpg.de/enid/68acece8e68fce8eec5ea3c31b6ec2fe,0/
personal_Crutzen/antropocene_ey.html
3 http://www.wholeearth.com/issue/1340/article/189/we.are.as.gods:
»We are as gods and might as well get good at it.«
4 http://settlement.arc.nasa.gov/CoEvolutionBook/SPACE.HTML
5 Cleo Paskal: Global Warring – How Environmental, Economic and Political Crises Will Redraw the World Map , New York: Palgrave Macmillan 2010.
KAPITEL 5
Klimamacht China
Auftakt auf Spitzbergen
Meine erste Begegnung mit der Klimamacht China erlebte ich in einer Region, in der ich sie nie erwartet hätte.
Wir machen uns im milden Deutschland keine Vorstellung davon, wie weit Europa in den Norden reicht. Unsere EU ist tatsächlich auch eine arktische Macht. Von Frankfurt bis Ny Ålesund, der nördlichsten Siedlung Europas und einer der nördlichsten der Welt, ist es eineinhalbmal so weit wie nach Moskau, aber es geht stracks Richtung Nordpol, weit über das Nordkap hinaus. In einem Tag ist die Reise dorthin nicht zu schaffen. Die Flugpläne zwingen uns zu einer Übernachtung am Flughafen von Oslo, dann erst fliegen wir weiter – mit einem Zwischenstopp in Tromsø, dem nördlichsten internationalen Flughafen des Kontinents –, hinaus über den Arktischen Ozean. Dort erst liegt Longyearbyen, die Hauptstadt der Inselgruppe Spitzbergen.
Nach 30 Stunden erreichen wir die Grenze zwischen dem Europa, das wir kennen, und dem wilden Norden. Wir sind in einer kargen, leeren Felslandschaft gelandet, aus der die schwarzen Flächen der Startbahn und des Vorfeldes kaum herausstechen. Zu Fuß gehen wir vom Airbus der SAS auf das geduckte Flughafengebäude zu, seitab steht
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