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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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unter gar keinen Umständen, für sich selbst stimmen durfte. Ich überlegte, dass es unter Umständen knapp werden und die eine Stimme dann entscheidend sein könnte. Ich hielt es für völlig ausgeschlossen, dass jemand es herausfinden könnte. Immerhin war die Wahl geheim, die Einzige, die unsere Zettel zu Gesicht bekam und mich anhand meiner Handschrift würde überführen können, war unsere Lehrerin, die natürlich nichts dazu sagen würde.
    Wie grausam ich mich doch irren sollte.
    Jedenfalls schrieb ich in Druckbuchstaben KARL OVE auf einen kleinen Zettel, faltete ihn zusammen und gab ihn der Lehrerin, als sie die Runde machte, um die Stimmen in einem Hut einzusammeln. Sie schrieb die Namen der sechs Kandidaten an die Tafel und rief anschließend ausgerechnet Sølvi auf, um die Namen auf den Zetteln vorzulesen. Bei jedem Zettel, den Sølvi vorlas, machte die Lehrerin ein Kreuz hinter dem Namen auf der Tafel.
    Die Stimmen für mich ließen auf sich warten. Am Anfang bekam fast nur Eivind die Stimmen der Jungen. Dann erkannte ich zu meinem Entsetzen, dass kaum noch Zettel übrig waren. Ich hatte noch keine einzige Stimme bekommen! Wie war das möglich?
    Aber dann. Endlich.
    »Karl Ove«, sagte Sølvi, und die Lehrerin machte ein Kreuz hinter meinem Namen.
    »Eivind«, sagte Sølvi.
    »Eivind.«
    »Eivind.«
    »Waren das alle? Dann wollen wir mal sehen. Klassensprecher sind in diesem Schuljahr Eivind und Marianne!«
    Ich blickte auf den Tisch vor mir herab.
    Eine Stimme.
    Wie war das möglich?
    Und es war noch dazu meine eigene gewesen.
    Aber ich war doch der Klassenbeste! Zumindest in Norwegisch! Und in Gesellschafts- und Naturkunde! Und in Mathe war ich der Zweit- oder vielleicht auch Drittbeste. Aber insgesamt? Wer sollte denn insgesamt besser sein als ich?
    Okay, Eivind hatte gewonnen. Aber eine Stimme? Wie war das möglich?
    Hatte wirklich kein anderer für mich gestimmt?
    Da musste irgendetwas schiefgelaufen sein.
    Keiner?
    Als ich zu Hause die Tür öffnete, stand Vater direkt dahinter.
    Ich erschreckte mich.
    Wie machte er das nur?
    Hatte er dort auf mich gewartet?
    »Du musst für mich zum B-Max gehen«, sagte er. »Hier.«
    Er gab mit einen Einkaufszettel und einen Hundertkronenschein.
    »Ich will das gesamte Wechselgeld zurückhaben. Hast du mich verstanden?«
    »Ja«, antwortete ich, stellte den Ranzen ab und lief auf die Straße hinaus.
    Wenn es etwas gab, womit ich es genau nahm, dann war es das Wechselgeld. Als der B-Max gerade eröffnet hatte, kehrte Yngve einmal mit zu wenig Geld heim. Vater hatte ihn daraufhin so verdroschen wie nie zuvor. Und das wollte was heißen, denn Yngve hatte schon oft eine Tracht Prügel bezogen. Viel öfter als ich. Ja, ich kam bei allem leichter davon. Sogar die Frage, wann ich abends ins Bett musste, wurde im Vergleich zu ihm lockerer gehandhabt.
    Ich warf einen Blick auf den Zettel.
    1 kg Kartoffeln
    1 Paket Gehacktes
    2 Zwiebeln
    Kochkaffee
    1 Dose Ananas
    ¼ l Schlagsahne
    1 kg Orangen
    Ananas? Sollte es etwa schon wieder Nachtisch geben? An einem Montag?
    Ich sammelte die Waren in einem Einkaufskorb, stand ein paar Minuten an einem Regal vor der Kasse und blätterte in Comics, bezahlte, legte das Wechselgeld in die Tasche und lief mit der ziemlich schweren, schlenkernden Tüte in der Hand nach Hause.
    Ich gab sie Vater in der Küche zusammen mit dem Geld, das er in die Tasche steckte, während ich stehen blieb und darauf wartete, dass er mir erlaubte zu gehen, was er jedoch nicht tat.
    »Setz dich!«, forderte er mich auf und zeigte auf einen Stuhl.
    Ich setzte mich.
    »Sitz gerade, Junge!«, sagte er.
    Ich richtete mich auf.
    Er nahm die erdverschmierten Kartoffeln aus der Tüte und begann sie zu putzen.
    Was wollte er von mir?
    »Und?«, sagte er fragend und drehte den Kopf, um mich anzusehen, während seine Hände unter dem Wasserstrahl aus dem Hahn arbeiteten.
    Ich sah ihn fragend an.
    »Was hat die Lehrerin denn so erzählt?«, fragte er.
    »Die Lehrerin?«
    »Ja, die Lethethin . Hatte sie euch am ersten Schultag nichts zu sagen?«
    »Doch, sie hat uns freundlich begrüßt. Dann haben wir den Stundenplan und ein paar Bücher bekommen.«
    »Und wie sieht dein Stundenplan aus?«, erkundigte er sich, ging zum Schrank neben dem Herd und holte einen Topf heraus.
    »Soll ich ihn holen?«
    »Nein, nein. Du erinnerst dich doch sicher, oder? Sieht er gut aus?«
    »Ja«, antwortete ich. »Richtig gut.«
    »Schön«, sagte er.
    An diesem Abend begriff ich, was es

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