Spielen: Roman (German Edition)
in Dag Lothars Zimmer. Nachdem wir durch die Dunkelheit gelaufen waren, setzten wir uns mit erhitzten Gesichtern in sein Zimmer und spielten Monopoly, während eine seiner beiden Beatles-Platten, das rote oder das blaue Album, im Kassettenrekorder lief. Ich mochte das rote mit den frühen Songs lieber, sie waren einfach und fröhlich, bei den Refrains sangen wir oft laut, fast schreiend und in einem Englisch mit, das sich nicht für die semantische Seite der Sprache interessierte, sondern allein dem Klang verpflichtet war, während gleichzeitig immer öfter das blaue Album lief, je mehr uns die dunklen und ungewohnteren Klänge darauf gefielen.
Diese Abende gehören zu den glücklichsten meines Lebens, was seltsam ist, denn es war nichts Ungewöhnliches an ihnen, wir taten nur, was alle Kinder taten, wir saßen zusammen und spielten Brettspiele, hörten Musik und redeten über Dinge, die uns beschäftigten.
Aber ich mochte den Geruch in ihrem Haus, ich war gerne dort. Ich mochte die Dunkelheit, aus der wir gerade erst gekommen waren und die alles mit etwas Fremdem auflud, vor allem, wenn es auch noch feucht war und wir sie am ganzen Körper fühlen und nicht nur mit den Augen sehen konnten. Ich mochte das Licht der Straßenlaternen. Ich mochte die Stimmung, die entstand, wenn wir viele waren, die Stimmen in der Dunkelheit, die Körper, die sich in meiner Nähe bewegten. Ich mochte den Klang des Nebelhorns an der Fjordmündung. Die Gedanken an diesen Abenden: Alles ist möglich. Ich streunte gerne einfach durch die Gegend, stieß auf Dinge und Situationen. Die Baracken, die man im Wald über den Bootsanlegern aufgestellt hatte, waren abends verwaist, die Fenster schimmerten, und wir standen davor und schauten hinein. Lagen da Pornohefte? Oh ja, allerdings. Keiner von uns wagte es, eine Scheibe einzuschlagen, um hineinzugehen und sie zu holen, dennoch existierte dies auf einmal als Möglichkeit, und wir wussten, dass irgendjemand es bald tun würde, vielleicht sogar wir selbst. Es war eine Zeit, in der eines Morgens auf der Straße vor unserem Haus manchmal die Doppelseite eines Pornohefts lag. Es war eine Zeit, in der man Pornohefte in Straßengräben, auf Wiesen, unter Brücken fand. Wer sie dorthin gelegt hatte, wussten wir nicht, sie lagen dort wie von Gottes Hand verstreut, ein Teil der Natur wie Buschwindröschen, Weidenkätzchen, anschwellende Bäche, regenglatte Uferfelsen. Und die Elemente prägten auch sie: Sie waren entweder porös von Feuchtigkeit oder knochentrocken oder rissig, nachdem sie wieder getrocknet waren, häufig von der Sonne ausgeblichen, stockfleckig und schmutzig.
Ein Sog erfasste mich, wenn ich an diese Hefte dachte. Dieser Sog stand in keiner Verbindung dazu, wie wir über sie sprachen, dann waren sie spannend, etwas, worüber wir lachten und was wir uns gierig ansahen, aber der nagende Sog lag woanders, so tief, dass die Gedanken nie dorthin reichten.
In unserer Siedlung konnte man sich von vielen vorstellen, dass sie zu Hause Pornohefte besaßen, und es waren ausnahmslos dieselben, von denen wir uns vorstellen konnten, dass sie sich ein Moped kaufen, wenn die Zeit dafür gekommen war, rauchen und des Öfteren die Schule schwänzen würden, kurzum all jene, die in der Fina herumhingen. Die Bösen. Deshalb blieben die beiden Größen in meinem Inneren unvereinbar. Die Pornohefte gehörten zum Bösen, aber das, womit sie mich erfüllten, dieser harte Sog, der mich unablässig schlucken ließ, war gleichzeitig etwas, was ich mit unbändiger Kraft begehrte. Wenn ich eine dieser nackten Frauen sah, wurde ich ganz weich. Es war furchtbar, es war fantastisch, es war die Welt, die sich mir eröffnete, und die Hölle, die sich mir zeigte, Licht, das leuchtete, und Dunkelheit, die sich herabsenkte, wir wollten immer weiter in ihnen blättern, bis in alle Ewigkeit hätten wir dort, unter den schweren Ästen der Fichten, im Geruch von feuchter Erde und nassem Fels, stehen und uns diese Bilder ansehen können. Es kam einem vor, als entstiegen diese Frauen direkt dem Sumpf, direkt dem herbstlich gelben Gras, oder als wären sie zumindest eng damit verbunden. Häufig waren Teile der Bilder herausgerissen worden, aber wir sahen immer noch genug vom Weichen und Harten, um für alle Zeit die Gewissheit zu erlangen, dass dieses Gefühl existierte, und jedem Gerücht von der Existenz dieser Magazine wurde unverzüglich nachgegangen.
Geir gehörte zu den Eifrigsten. Schon in der zweiten Klasse hatte er
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