Spielen: Roman (German Edition)
unterhalb des Bethauses. Wir rissen einige Farnzweige und Gras ab und bedeckten sie, so gut es ging. Anschließend schauten wir uns um, weil wir sichergehen wollten, dass niemand in der Nähe war, und verließen danach ganz gemächlich den Ort, da wir wussten, dass jemand, der rannte, Aufmerksamkeit erregte, und gingen am Bethaus auf die Straße, der wir abwärts folgten.
Vor der Kellertür des Hauses, in dem er wohnte, stand Ketil vor seinem aufgebockten Fahrrad. Eine Hand auf die Pedale gelegt, kurbelte er das Hinterrad herum und ölte die Kette mit einer kleinen Plastikflasche, die er in der anderen Hand hielt. Seine glatten schwarzen Haare hingen ihm ins Gesicht.
»Hallo«, sagte er.
»Hallo«, erwiderten wir seinen Gruß.
»Wo seid ihr gewesen?«
»Auf der Müllhalde.«
»Was habt ihr da gemacht?«
»Nach Pornoheften gesucht«, antwortete Geir. Ich starrte ihn an. Was tat er denn da? Das war doch ein Geheimnis!
»Habt ihr welche gefunden?«, erkundigte sich Ketil und grinste uns an.
Geir schüttelte den Kopf.
»Ich habe einen ganzen Stapel in meinem Zimmer«, sagte er. »Möchtet ihr sie euch leihen?«
»Ja, klar!«, sagte Geir.
»Ist das wahr?«, fragte ich.
Er nickte.
»Wollt ihr sie jetzt haben?«
»Ich muss zum Essen«, antwortete ich.
»Ich auch«, sagte Geir. »Aber wir könnten sie mitnehmen und im Wald verstecken.«
Ketil schüttelte den Kopf.
»Kommt nicht in Frage. Da werden sie ja dreckig. Ihr müsst sie schon mit nach Hause nehmen. Aber okay. Ich kann sie euch heute Nachmittag vorbeibringen.«
»Gute Idee. Aber dann müssen wir uns irgendwo draußen treffen. Du darfst nicht bei uns klingeln. Einverstanden?«
»Aha?«, sagte er fragend und grinste mit schmalen Augen. »Hast du etwa Angst, dass ich die Hefte deinem Vater zeige?«
»Nein, aber … Er fragt immer so viel. Und du bist noch nie bei uns gewesen.«
»Ist schon in Ordnung«, erwiderte er. »Seid so gegen fünf auf der Straße, dann komme ich vorbei. Okay?«
»Dann läuft aber gerade das Spiel aus der englischen Liga«, meinte ich.
»Dann eben um sechs. Und jetzt sagt nicht, dass ihr dann die Kinderstunde sehen wollt!«
»Okay. Um sechs.«
Mutter saß in der Küche und las in einem Buch, das Radio lief, und auf dem Herd köchelte der Milchreis. Die eine Seite des Topfs war milchweiß, und die Flächen zwischen den Kochplatten waren mit Milch und Reis bedeckt, der von der Hitze fast getrocknet war, es ließ sich also nicht übersehen, dass der Milchreis übergekocht war.
»Hallo«, sagte ich.
Sie legte das Buch fort.
»Hallo«, grüßte sie mich. »Wo seid ihr gewesen?«
»Ach«, antwortete ich, »wir sind nur ein bisschen herumgelaufen. Wir haben ein paar Flaschen gefunden, für die wir uns am Montag das Pfand holen wollen.«
»Schön.«
»Machst du heute Abend Pizza?«, fragte ich.
Sie lächelte.
»Hatte ich vor.«
»Super!«, sagte ich.
»Hast du schon in dem Buch gelesen, das du bekommen hast?«
Ich nickte.
»Ich habe es gestern angefangen. Ich glaube, es ist richtig gut. Ehrlich gesagt, wollte ich gerade in mein Zimmer und weiterlesen.«
»Tu das«, sagte sie. »In einer Viertelstunde gibt es Essen.«
Wenn sie freitags nach Hause kam, brachte sie uns immer etwas mit, und diesmal war es ein Buch gewesen. Es hieß Der Magier der Erdsee, und geschrieben hatte es eine Autorin namens Ursula K. Le Guin, und schon nach den ersten zwei Seiten wusste ich, dass es ein wirklich fantastisches Buch war. Aber obwohl es so war, legte ich mich eher zögerlich mit ihm auf mein Bett, da Mutter zu Hause war und ich auch möglichst viel mit ihr zusammen sein wollte. Andererseits war sie ja da, und fast alle Vorzüge, die ihre Gegenwart meinem Leben hinzufügte, vor allem, dass Vater nie etwas unternahm, solange sie bei uns war, nie einen seiner Wutanfälle bekam, solange sie bei uns war, und sich stattdessen immer besann, existierten auch, wenn ich auf meinem Bett lag und sie in der Küche saß.
Das Fußballspiel sah ich mir zusammen mit Yngve und Vater an. Er hatte wie üblich englische Bonbons gekauft, und Yngve und ich hatten jeder einen Totoschein mit acht Reihen ausfüllen dürfen. Ich hatte fünf Richtige, worüber sie sich lustig machten, denn damit hatte ich weniger als die Hälfte richtig getippt, ich hätte also genauso gut würfeln können. Vater meinte, es sei genauso schwierig, fünf richtig zu tippen wie zehn. Aber während diejenigen, die zehn Partien richtig getippt hätten, Geld von der Norwegischen
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