Spielen: Roman (German Edition)
am Tjenna und fror ganz fürchterlich an den Beinen. Der Kinder- und Jugendverband der Arbeiterpartei, in der ich und fast alle anderen Kinder unserer Siedlung Mitglieder waren, organisierte ein Skirennen. Man hatte eine Startnummer auf der Brust, und jeder bekam eine Medaille, aber solange man herumstand und darauf wartete, an der Reihe zu sein, war es vor allem eisig kalt. Als ich schließlich startete, rutschten zu allem Überfluss meine Skier nach hinten weg, so dass ich nie richtig in Fahrt kam und weit abgeschlagen im hinteren Teil des Feldes landete. Sobald ich im Ziel war und meine Medaille bekommen hatte, ging es nach Hause. Die Dunkelheit hing zwischen den Ästen, die Kälte nagte an meinen Zehen, die Skier rutschten und rutschten, den steilsten Hang kam ich nicht einmal im Grätenschritt hoch, sondern musste seitlich gehen. Dann lag jedoch endlich die Straße mit ihren Laternen vor mir, die in der Dämmerung ein leuchtendes, abwärtsführendes Band bildeten, und auf der anderen Seite stand unser Haus. Ich stakste hinüber und in die Einfahrt, zog die Skier aus und lehnte sie an die Hauswand, öffnete die Tür und blieb stehen.
Was war das für ein Geruch?
Großmutter?
War Großmutter hier?
Nein, undenkbar, das war unmöglich.
War Vater vielleicht in Kristiansand gewesen und hatte den Geruch mit nach Hause gebracht?
Nein, verdammt, da redete doch jemand oben in der Küche!
Schnell zog ich mir die Schuhe aus und stellte fest, dass die Socken nass waren, so dass ich mit ihnen nicht ins Haus gehen konnte, denn das gab feuchte Stellen, und eilte durch den Flur in den Heizungskeller, wo zwei neue auf der Leine hingen, zog sie an, stieg in Windeseile die Treppe hoch, blieb stehen.
Hier oben war der Geruch stärker. Kein Zweifel, Groß mutter war da.
»Bist du das, Loffe?«, rief Vater.
»Ja«, antwortete ich.
»Komm mal!«, sagte er.
Ich ging in die Küche.
Dort saß Großmutter!
Ich lief zu ihr und umarmte sie.
Sie lachte und zerzauste mir die Haare.
»Du bist aber groß geworden!«, rief sie.
»Was tust du hier?«, sagte ich. »Wo ist das Auto? Wo ist Großvater?«
»Ich habe den Bus genommen«, antwortete sie.
»Den Bus?«, sagte ich.
»Ja. Mein Sohn ist mit seinen Kindern allein, habe ich gedacht, da könnte ich ihn doch besuchen und ihm ein bisschen zur Hand gehen. Ich habe schon für euch gekocht.«
»Wie lange bleibst du?«
Sie lachte.
»Na ja, ich denke, morgen nehme ich den Bus zurück. Jemand muss sich ja auch um Großvater kümmern. Er soll ja nicht zu lange alleine bleiben.«
»Stimmt«, sagte ich und umarmte sie noch einmal.
»So, das reicht fürs Erste«, sagte Vater. »Geh noch etwas in dein Zimmer, ich rufe euch, wenn das Essen fertig ist.«
»Aber er muss doch vorher noch sein Geschenk bekommen«, widersprach Großmutter.
»Ach übrigens, danke für das Weihnachtsgeschenk«, sagte ich. »Es war ganz toll.«
Großmutter lehnte sich vor, hob ihre Tasche an und zog ein kleines Paket heraus, das sie mir überreichte.
Ich riss das Papier herunter.
Es war eine Start-Tasse.
Sie war weiß, und auf der einen Seite war das Logo des IK Start und auf der anderen ein Fußballspieler mit gelbem Trikot und schwarzer Hose abgebildet.
»Oh, eine Start-Tasse!«, sagte ich und umarmte sie ein weiteres Mal.
Es war eigenartig, Großmutter bei uns zu haben. Ich hatte sie praktisch noch nie ohne Großvater gesehen und ebenso selten alleine mit Vater. Die beiden saßen plaudernd in der Küche, was ich durch meine Zimmertür hören konnte, die ich einen Spaltbreit offen gelassen hatte. Ab und zu entstanden Pausen zwischen ihnen, wenn einer von ihnen aufstand und etwas machte. Dann unterhielten sie sich wieder ein bisschen, Großmutter lachte und erzählte eine Geschichte, Vater murmelte etwas. Er rief uns, wir aßen, er war ganz anders als sonst, näherte und entfernte sich sozusagen kontinuierlich. Mehrmals lauschte er aufmerksam dem, was Großmutter sagte, um sich anschließend ganz zurückzuziehen, indem er woanders hinsah oder aufstand, um irgendetwas zu regeln, und danach sah er sie wieder an und lächelte, machte eine Bemerkung, über die sie lachte, und sah dann wieder fort.
Sie fuhr am nächsten Abend, sie umarmte Yngve und mich, woraufhin Vater sie zum Busbahnhof in der Stadt fuhr. Ich ließ Rubber Soul laufen und legte mich mit einer Biografie über Madame Curie aufs Bett. Als das zweite Lied kam, Norwegian Wood, hob ich den Blick von der Buchseite, blieb liegen und schaute zur
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