Spielen: Roman (German Edition)
ist was für kleine Mädchen«, sagte er.
Damit hatte er recht. Und deshalb schämte er sich mit Sicherheit. Als einer seiner Kollegen einmal bei uns war, hatten die beiden mich mit meinen hellblonden Haaren auf der Treppe gesehen. Sie waren ziemlich lang gewesen, denn es war Winter, und ich hatte eine rote Strumpfhose getragen.
»Was für ein hübsches Mädchen du da hast«, hatte der Kollege gesagt.
»Na ja, also eigentlich ist es ein Junge«, hatte Vater entgegnet. Bei seinen Worten hatte er gelächelt, aber ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass ihn die Bemerkung des anderen nicht erfreut hatte.
Ich interessierte mich für Kleidung, ich weinte, wenn ich nicht genau die Schuhe bekam, die ich haben wollte, ich weinte, weil es kalt war, wenn wir mit dem Boot hinausfuhren, ja, ich weinte schon, wenn er nur seine Stimme erhob, und zwar in Situationen, in denen es vollkommen natürlich war, dass er die Stimme erhob, war es da so verwunderlich, dass er dachte: Was für einen Sohn habe ich da eigentlich bekommen?
Außerdem war ich ein Muttersöhnchen, darauf kam er immer wieder zurück. Und das war ich auch. Ich sehnte mich nach ihr. Niemand freute sich mehr, als sie Ende des Monats endgültig nach Hause zurückkehrte.
Als der Sommer vorbei war und ich in die fünfte Klasse kommen sollte, war Vater an der Reihe. Er würde ins ferne Bergen ziehen und an einem Ort wohnen, der sich Fantoft Studentenstadt nannte, seinen Diplomabschluss in Nordischen Sprachen machen und Studienrat werden.
»Ich kann leider nicht jedes Wochenende nach Hause kommen«, meinte er kurz vor seiner Abreise beim Essen. »Vielleicht sogar nur einmal im Monat.«
»Das ist aber schade«, sagte ich.
Ich begleitete ihn aus dem Haus, um mich von ihm zu verabschieden. Er legte sein Gepäck in den Kofferraum und setzte sich anschließend auf den Beifahrersitz, weil Mutter ihn zum Flughafen fahren würde.
Es war einer der seltsamsten Anblicke, die sich mir jemals geboten hatten.
Vater gehörte auf gar keinen Fall in einen VW-Käfer, und wenn er schon in einem sitzen musste, dann bestimmt nicht auf dem Beifahrersitz, das sah fast grotesk aus, vor allem, als sich Mutter neben ihn setzte, den Motor anließ, sich umschaute und zurücksetzte.
Vater war beim besten Willen kein Beifahrer.
Ich winkte, Vater hob kurz die Hand, und dann waren sie fort.
Was sollte ich jetzt tun?
In den Werkzeugschuppen gehen, sägen und Nägel einschlagen, Holz spalten und schnitzen, was das Zeug hielt?
In die Küche gehen und Waffeln backen? Eier braten? Tee kochen?
Mit den Füßen auf dem Tisch im Wohnzimmer sitzen?
Nein, ich wusste, was ich tun würde.
Ich würde in Yngves Zimmer gehen, eine seiner Platten heraussuchen, sie auflegen und die Anlage voll aufdrehen.
Ich entschied mich für Play von Magazine.
Dann drehte ich die Boxen fast voll auf, öffnete die Tür und ging ins Wohnzimmer.
Der Bass ließ beinahe die Wände erzittern. Die Musik wälzte sich aus dem Zimmer. Ich schloss die Augen und begann, mich im Takt der Musik zu wiegen. Als ich das eine Weile getan hatte, ging ich in die Küche, nahm die Blockschokolade, die dort lag, und aß sie. Ich war von dröhnender Musik umgeben, war aber nicht in ihr, sie war eher ein Teil des Hauses, des Esstischs oder der Bilder an der Wand. Dann wiegte ich mich wieder vor und zurück und hatte das Gefühl, die Musik zu schlucken und in mir zu tragen. Vor allem, wenn ich die Augen schloss.
Unten rief jemand etwas.
Ich öffnete die Augen, schnappte nach Luft.
Hatten sie etwas vergessen und waren zurückgekommen?
Ich stürzte ins Zimmer und drehte ganz leise.
»Was machst du denn da?«, rief Yngve von unten.
Oh. Gott sei Dank.
»Nichts«, antwortete ich. »Ich habe nur eine deiner Platten aufgelegt.«
Er kam die Treppe hoch. Hinter ihm ging ein anderer Junge, den ich noch nie gesehen hatte. Jemand aus seiner Volleyballmannschaft?
»Sag mal, hast du sie noch alle?«, fragte Yngve. »So kannst du die Boxen zum Platzen bringen. Die sind jetzt bestimmt kaputt. Du verdammter Idiot!«
»Das wusste ich nicht«, erwiderte ich. »Entschuldige. Entschuldige vielmals.«
Der andere Junge grinste.
»Das ist Trond«, stellte Yngve ihn vor. »Und das hier ist mein idiotischer kleiner Bruder.«
»Hallo, kleiner Bruder«, sagte Trond.
»Hallo«, sagte ich.
Yngve ging in sein Zimmer, stellte etwas lauter und legte den Kopf an die Boxen.
»Sie sind nicht geplatzt«, verkündete er und richtete sich auf. »Da hast du
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