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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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dachte ich häufig, aber sobald ich im selben Raum war wie er, löste sich das alles auf, er war mein Vater, ein erwachsener Mann und so viel größer als ich, dass alles seinem Willen gehorchend geschehen musste. Meinen Willen brach er, als wäre es nichts.
    Dies muss der Grund dafür gewesen sein, dass ich das Innere meines Zimmers, natürlich unbewusst, zu einem riesigen Außen machte. Wenn ich las, und eine Zeitlang tat ich kaum etwas anderes, bewegte ich mich still auf dem Bett liegend in der Welt draußen, und zwar nicht nur in der Welt, die es jetzt und hier gab, mit all ihren fremden Ländern und fremden Menschen, sondern auch in der Welt der Vergangenheit, angefangen bei den Büchern über den Steinzeitjungen Bärenkralle bis hin zu Zukünftigem, wie es sich etwa in den Büchern Jules Vernes zeigte. Außerdem war da noch die Musik. Auch sie öffnete den Raum mit ihren Stimmungen und den intensiven Gefühlen, die sie in mir auslöste und die nichts mit dem zu tun hatten, was ich sonst in meinem Leben fühlte. Am häufigsten hörte ich die Beatles und Wings, aber auch Yngves Musik, die lange aus Bands und Künstlern wie Gary Glitter, Mud, Slade, Sweet, Rainbow, Status Quo, Rush, Led Zeppelin und Queen bestand, sich im Laufe seiner Gesamtschulzeit jedoch allmählich veränderte, so dass sich zwischen diese alten Kassetten und Platten nach und nach eine neue und ganz andere Musik schob, wie die Single von The Jam und die Single von The Stranglers, die No More Heroes hieß, LPs von den Boomtown Rats und The Clash, die Kassetten von Sham 69 und Kraftwerk, ergänzt um die Songs, die er aus dem einzigen Musikprogramm aufnahm, das im Radio lief, Pop Spesial . Er fand neue Freunde, die sich für die gleiche Musik begeisterten und wie er Gitarre spielten. Einer von ihnen hieß Bård Torstensen, und eines Tages Anfang Mai, als Vater für ein paar Stunden fort war und das Haus offen stand, durfte er Yngve in sein Zimmer begleiten. Dort saßen die beiden, spielten Gitarre und hörten Platten. Nach einer Weile klopften sie an meine Tür, Yngve wollte Bård etwas zeigen. Ich lag lesend auf dem Bett, stand aber auf, als sie hereinkamen.
    »Hier«, sagte Yngve und ging zu dem Elvis-Poster, das über meinem Schreibtisch hing. »Weißt du, was auf der Rückseite ist?«
    Bård schüttelte den Kopf.
    Yngve löste die Heftzwecke, nahm das Plakat herunter und drehte es um.
    »Sieh dir das an«, sagte er. »Johnny Rotten! Und er hängt Elvis auf!«
    Sie lachten.
    »Kann ich dir das abkaufen?«, erkundigte sich Bård.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Es gehört mir.«
    »Aber bei dir hängt es falsch herum!«, rief Bård und lachte wieder.
    »Stimmt doch gar nicht«, sagte ich. »Das ist Elvis!«
    »Elvis kannst du voll vergessen!«, erwiderte Bård.
    »Elvis Costello aber nicht«, warf Yngve ein.
    »Ja, da hast du recht«, sagte Bård.
    Als sie gegangen waren, betrachtete ich die beiden Seiten eine Weile. Der Typ, der Johnny Rotten hieß, war richtig hässlich. Elvis dagegen sah toll aus. Warum sollte ich den hässlichen aufhängen und den Gutaussehenden auf die Rückseite verbannen?
    Draußen taten wir, was wir jedes Frühjahr taten: schnitten Birkenäste ab, banden Flaschen um die verbliebenen Stümpfe, holten sie am nächsten Tag, wenn sie mit hellem und dickflüssigem Birkensaft gefüllt waren, den wir tranken. Schnitten Salweidenäste ab und bastelten aus der Rinde Flöten. Pflückten große Sträuße Wildanemonen und schenkten sie unseren Müttern. Na ja, für Letzteres waren wir streng genommen schon zu alt, aber es war eine Geste, die bedeutete, dass man Gutes tat, weshalb ich an einem Vormittag, an dem wir nur drei Stunden Schule hatten, Geir überredete, mich in den Wald zu begleiten, weil ich dort eine Stelle kannte, an der sie so dicht wuchsen, dass es von Ferne aussah, als wäre der Erdboden schneebedeckt. Es geschah nicht ohne schmerzliche Gefühle, denn die Blumen lebten ja, sie zu pflücken hieß, sie zu töten, aber es war eine gute Sache, mit ihrer Hilfe würden wir Freude schenken. Das Licht fiel in Schächten zwischen den Ästen hindurch, das Moos war leuchtend grün, und wir pflückten jeder einen riesigen Strauß, mit dem wir nach Hause liefen.
    Bei uns war nur Vater zu Hause. Als ich kam, stand er in der Waschküche und wandte sich mit Wut in jeder Bewegung zu mir um.
    »Ich habe Blumen für dich gepflückt«, sagte ich.
    Er streckte die Hand aus, nahm sie und warf sie in den großen Ausguss.
    »Blumen pflücken

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