Spielen: Roman (German Edition)
und sah mich an.
»Sie besuchen? Warum das denn? Geht es um irgendwelche Hausaufgaben oder so?«
»Ne-ein«, sagte ich. »Wir haben einfach Lust dazu.«
Er drehte sich wieder nach vorn. Die restliche Strecke schwiegen sie und hielten abrupt an der Kreuzung.
»Na, dann springt raus, Kinder«, sagte der Fahrer.
Ich hatte ein etwas schlechtes Gewissen, da ich natürlich begriff, dass wir sie enttäuscht hatten, aber sie anzulügen wäre auch nicht in Frage gekommen. Also dankte ich ihnen stattdessen so herzlich, wie ich nur konnte.
Röhrend sausten sie in der Dunkelheit davon.
Sverre und ich trotteten den Kiesweg hinauf. Zu beiden Seiten standen große Laubbäume mit abgespreizten Ästen. Wir waren noch nie in ihrem Haus gewesen, wussten aber genau, wo es lag.
Zwei Autos standen davor, alle Fenster waren erleuchtet.
Ich klingelte.
» Ihr seid das?«, sagte Frau Høst verblüfft, als sie uns öffnete.
»Wir dachten, wir könnten Sie mal besuchen«, sagte ich.
»Dürfen wir hereinkommen?«, fragte Sverre.
Sie zögerte.
»Nun ja, wisst ihr, ich habe Besuch. Eigentlich passt es gerade nicht so gut. Aber seid ihr wirklich den ganzen weiten Weg hergekommen, nur um mich zu besuchen?«
»Ja.«
»Na, dann kommt herein! Wenn ihr wollt, könnt ihr eine halbe Stunde bleiben. Ich habe noch Kekse. Die könnt ihr haben. Und ein Glas Saft!«
Wir traten ein.
Das Wohnzimmer war voller Erwachsener. Frau Høst stellte uns vor, wir setzten uns auf Hocker am Tisch, sie stellte vor jedem von uns einen Dessertteller mit drei Keksen und ein Glas Saft auf den Tisch.
Sie meinte, wir seien ihre Lieblingsschüler und seien sehr gute Schauspieler.
»Können sie nicht etwas für uns aufführen?«, fragte jemand.
Frau Høst sah uns an.
»Warum nicht«, sagte ich. »Machst du mit?«
»Na klar«, antwortete Sverre.
Ich strich mir die Haare hinter die Ohren und spitzte meinen Mund, und anschließend legten wir einigermaßen improvisiert los, aber es war gut genug, um alle zum Lachen zu bringen. Als die Szene vorbei war, verneigten wir uns ein wenig rot geworden, aber zufrieden mit uns, während die Erwachsenen applaudierten.
Ich wiederholte meinen Erfolg bei einer Maskerade kurz vor Weihnachten, als Dag Magne und ich uns als Frauen verkleideten, inklusive Make-up, Kleid und Handtasche, und meine Imitation so gut war, dass mich keiner erkannte, selbst Dag Lothar nicht, der mindestens fünf Minuten neben mir stand, ehe er auf einmal begriff, wer das unbekannte Mädchen neben ihm in Wahrheit war.
Aber obwohl ich mich nicht schämte, mich als Mädchen zu verkleiden, und auch nicht, mich mit ihnen über Mädchenthemen zu unterhalten, ging ich tatsächlich mit ein paar von ihnen. Die hübscheste hieß Marianne, es hielt zwei Wochen, wir gingen zusammen Schlittschuhlaufen, dann setzte sie sich auf meinen Schoß und küsste mich, ich war als einziger Junge bei ihrer Geburtstagsfeier, auch da setzte sie sich auf meinen Schoß, und ich umarmte sie, während sie sich mit ihren Freundinnen unterhielt, und auch bei dieser Gelegenheit knutschten wir, aber am Ende konnte ich nicht mehr, denn auch wenn ich sie mochte – sie war zweifellos eines der hübscheren Mädchen in der Schule, obwohl sie nicht zur absoluten Spitzengruppe gehörte – und sie mir vielleicht auch ein wenig leidtat, denn sie wohnte mit ihrer Mutter und ihrer Schwester alleine, und sie hatten ziemlich wenig Geld, zum Beispiel bekam sie so gut wie nie neue Kleider, ihre Mutter machte das Beste aus den alten, die sie hatten und von Verwandten erbten, empfand ich nur Leere, wenn ich in ihrem Zimmer war, bekam ich Platzangst, wenn wir uns küssten, und wollte einfach nur fort und überredete schließlich Dag Magne, ihr zu sagen, dass es aus sei. Am selben Tag machte ich einen großen Fehler, sie lief im Schlechtwetterunterstand hinter mir vorbei, und ich streckte reflexartig das Bein nach hinten. Sie stolperte und fiel mit dem Gesicht auf den Asphalt, blutete und weinte, aber das war nicht das Schlimmste, am schlimmsten war die davon ausgelöste Wut, die sie an mir ausließ und die sich alle Mädchen zu eigen machten, die sich tröstend um sie scharten. Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich in den nächsten Wochen beliebt war. Dass keine böse Absicht dahintergesteckt und ich es nur aus Spaß getan hatte, stieß auf Unverständnis. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Mädchen mich wirklich hassten und ich in ihren Augen eine Art Abschaum war, aber dann verhielten sie
Weitere Kostenlose Bücher