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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Geräusche verschwanden.
    In den nächsten Wochen kreisten meine Gedanken ständig um Kajsa. Zwei Bilder von ihr tauchten immer wieder auf. In dem einen drehte sie sich mit ihren blonden Haaren und blauen Augen in ihren rosa und hellblauen Kleidern vom 17. Mai zu mir um. In dem anderen lag sie nackt auf einer Wiese. Letzteres sah ich fast jeden Abend vor dem Einschlafen vor mir. Der Gedanke an ihre großen weißen Brüste mit den rosa Brustwarzen tat weh. Ich lag im Bett und wälzte mich hin und her, während ich mir verschiedene vage, aber intensive Dinge vorstellte, die ich mit ihr machte. Das andere Bild weckte etwas anderes und zu anderen Zeiten in mir: Mitten in einem Sprung von der Klippe auf der kleinen Insel, in der Luft schwebend, im prallen Sonnenlicht, sah ich sie flüchtig vor mir, worauf in meinem Inneren ein kaum bezähmbarer Jubel losbrach, während meine Füße mehr oder weniger gleichzeitig die Wasseroberfläche durchschnitten und mein Körper in das blaugrüne Meerwasser schoss, das den Fall nach ein, zwei Metern abbremste, und ich mich umgeben von rauschenden Luftblasen und mit dem Geschmack von Salz auf den Lippen mit langsamen Bewegungen und einem glücklichen Zittern in der Brust an die Oberfläche kämpfte. Oder auch am Essenstisch, wenn ich die Haut von einem Kabeljaufilet abzog oder dabei war, einen Bissen Lungenhaschee zu kauen, der eine so unangenehme Konsistenz besaß, er schwoll an und nahm erst einigen Raum ein, aber wenn ich ihn dann kaute, gingen die Zähne glatt durch seine Masse, die nur ganz zum Schluss Widerstand bot, wenn sie an den Zähnen klebte, tauchte plötzlich das Bild von ihr auf und strahlte so, dass alles andere, was mich umgab, in den Schatten verbannt wurde. Im wirklichen Leben sah ich sie dagegen nie. In Luftlinie mochten die beiden Siedlungen nur ein oder zwei Kilometer voneinander entfernt sein, aber der soziale Abstand war größer und ließ sich weder mit dem Fahrrad noch dem Bus überbrücken. Kajsa war ein Traum, ein Bild in meinem Kopf, ein Stern am Himmel.
    Dann passierte etwas.
    Wir bestritten ein Spiel auf dem Kjenna-Platz. Die Frühjahrssaison war zwar eigentlich schon vorbei, aber ein Spiel war ausgefallen und musste nachgeholt werden, so dass wir in der Wärme und in Anwesenheit der üblichen zehn oder fünfzehn Zuschauer über den Rasen liefen, als ich aus den Augenwinkeln drei Menschen wahrnahm, die an der Seitenlinie entlanggingen, und sofort wusste, dass sie darunter war. Während des restlichen Spiels galt meine Aufmerksamkeit ebenso sehr den Zuschauern auf dem Felsen wie dem Ball.
    Nach der Partie kam ein Mädchen zu mir.
    »Kann ich dich kurz sprechen?«, fragte sie.
    »Ja, natürlich«, antwortete ich.
    In mir wurde eine so maßlose Hoffnung geweckt, dass ich grinsen musste.
    »Weißt du, wer Kajsa ist?«, fragte sie.
    Ich wurde rot und senkte den Blick.
    »Ja«, sagte ich.
    »Ich soll dich von ihr fragen«, sagte sie.
    »Was hast du gesagt?«, erwiderte ich.
    Eine warme Welle stieg in mir auf, als füllte sich meine Brust mit Blut.
    »Kajsa möchte wissen, ob du mit ihr gehen willst«, verdeutlichte sie. »Willst du?«
    »Ja«, antwortete ich.
    »Schön«, sagte sie. »Dann richte ich ihr das aus.«
    Sie ging davon.
    »Wo ist sie?«, fragte ich.
    Sie drehte sich zu mir um.
    »Sie steht hinten an der Umkleide und wartet«, antwortete sie. »Sehen wir dich nachher?«
    »Ja«, sagte ich. »In Ordnung.«
    Als sie weiterging, senkte ich kurz den Blick.
    Danke, lieber Gott, sagte ich innerlich, denn nun war es passiert, nun war ich mit Kajsa zusammen!
    War das wahr?
    War ich tatsächlich mit Kajsa zusammen?
    Mit Kajsa ?
    Verwirrt ging ich an der Seitenlinie entlang, denn plötzlich wurde mir bewusst, dass ich jetzt auch ein großes Problem hatte. In diesem Moment stand sie dahinten und wartete auf mich. Ich musste mit ihr sprechen, wir mussten etwas zusammen machen. Was sollte das sein?
    Auf dem Weg in die Kabine konnte ich entweder so tun, als würde ich sie nicht sehen, oder ihr nur kurz zulächeln, denn dann musste ich ja hineingehen und mich umziehen. Aber wenn ich wieder herauskam …
    Es war ein milder Abend, die Luft roch nach Gras und hing voller Vogelgezwitscher, und die Stimmen, die von den Umkleideräumen zu mir herüberschallten, waren fröhlich und aufgekratzt. Kajsa stand mit den beiden anderen Mädchen direkt hinter ihnen auf der Straße. Sie hielt ihr Fahrrad fest und warf mir einen kurzen Blick zu, als ich sie ansah. Sie lächelte. Ich

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