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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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waschen, Pyjama anziehen, nicht nur in Erscheinung treten, sondern mich auch völlig ausfüllen, weil da plötzlich nichts anderes mehr war . Dass ich haargenau derselbe war, wenn ich angezogen auf dem Bett saß oder wenn ich ausgezogen in ihm lag. Dass es im Grunde keine Unterschiede oder Übergänge gab.
    Es war ein quälendes Gefühl.
    Ich ging zur Tür und legte erneut das Ohr daran. Erst war es still, dann hörte ich Stimmen, danach wurde es wieder still. Ich weinte ein wenig, zog T-Shirt und Shorts aus, legte mich ins Bett und zerrte die Decke bis zum Kinn. Die Sonnenstrahlen fielen immer noch auf die gegenüberliegende Wand. Ich las ein paar Comics, legte sie dann auf den Fußboden und schloss die Augen. Mein letzter Gedanke vor dem Einschlafen lautete, dass es nicht meine Schuld gewesen war.
    Ich erwachte, schaute auf die Armbanduhr. Die beiden leuchtenden Würmer zeigten zehn Minuten nach zwei an. Ich blieb eine Weile still liegen und versuchte zu ergründen, was mich geweckt hatte. Abgesehen vom Puls, der wispernd gegen mein Ohr schlug, herrschte Stille. Auf den Straßen fuhren keine Autos, im Sund waren keine Boote unterwegs, kein Flugzeug flog am Himmel. Keine Schritte, keine Stimmen, nichts. Auch nicht in unserem Haus.
    Ich hob den Kopf ein wenig, damit die Ohren nichts berührten, und hielt die Luft an. Ein paar Sekunden später hörte ich einen Laut aus dem Garten. Einen so hohen und hellen Ton, dass ich ihn erst nicht wahrgenommen hatte, aber als ich ihn bemerkte, fand ich ihn sofort fürchterlich.
    Iiiii-iiii-iiiiiii-iiiiii. Iiiiiiii-iiii-iiiiiii. Iiiiiiii.
    Ich kniete mich aufs Bett, zog den Vorhang zur Seite und blickte aus dem Fenster. Der Rasen war in schwaches Licht getaucht: Der Vollmond hing über dem Haus. Ein Windstoß ließ das Gras aussehen, als liefe es fort. Eine weiße Plastiktüte, die sich am Ende der Hecke verhakt hatte, flatterte, und ich dachte, jemand, der nicht wusste, dass es Wind gab, hätte jetzt sicher gedacht, die Tüte hätte sich von selbst bewegt. Als stünde ich in großer Höhe, zitterten die Kuppen meiner Zehen und Finger. Mein Herz schlug schnell. Die Bauchmuskeln spannten sich an, ich schluckte und schluckte noch einmal. Die Nacht war die Zeit der Geister und Gespenster, die Nacht war die Zeit des kopflosen Mannes und des grinsenden Skeletts. Und ich war nur durch eine dünne Wand von ihr getrennt.
    Da war wieder dieser Ton!
    Iiii-iiiiiiiii-iii-iiiiiiiiiiiiiiiiiiii-iii-iiiiiiiii.
    Ich ließ den Blick über die graue Rasenfläche schweifen. An der Hecke, etwa fünf Meter entfernt, fiel mir Prestbakmos Katze ins Auge. Sie lag ausgestreckt im Gras und schlug mit der Pfote nach etwas. Was sie da schlug, einen grauen, stein- oder lehmartigen Klumpen, wurde einen Meter näher zu meinem Fenster geschleudert. Die Katze erhob sich und folgte ihm. Der Klumpen lag regungslos im Gras. Die Katze schlug ein paar Mal vorsichtig danach, ging mit dem Kopf ganz nah heran und stupste ihn mit der Schnauze an, ehe sie das Maul öffnete und ihn zwischen die Zähne nahm. Als das Piepsen wieder anfing, begriff ich, dass es eine Maus war. Das plötzliche Geräusch schien die Katze zu verwirren. Jedenfalls warf sie den Kopf und schleuderte die Maus fort, die diesmal nicht einfach liegen blieb, sondern, so schnell sie nur konnte, über den Rasen lief. Die Katze rührte sich nicht von der Stelle und behielt sie im Auge. Es sah fast aus, als wollte sie die Maus laufen lassen. Doch dann, als die Maus gerade das Beet vor dem Zaun zu Prestbakmos Garten erreicht hatte, folgte sie ihr. Drei Sätze, und sie hatte die Maus wieder gefangen.
    Aus dem Nebenzimmer drang plötzlich Vaters Stimme zu mir. Sie war leise und murmelnd, fast ohne Anfang oder Ende, wie sie sich meistens anhörte, wenn er im Schlaf sprach. Im nächsten Moment richtete sich im Nebenzimmer jemand auf. An der Leichtigkeit der nachfolgenden Schritte hörte ich, dass es Mutter war. Draußen hatte die Katze begonnen, auf und ab zu hüpfen. Es sah aus wie eine Art Tanz. Ein neuerlicher Windstoß ließ das Gras wogen. Ich blickte zur Kiefer hinauf und sah die empfindsamen Äste schwarz und schmächtig vor dem gelben und schweren Mond schwanken. Mutter öffnete die Tür zum Badezimmer. Als ich hörte, dass sie die Klobrille herunterklappte, presste ich die Hände auf meine Ohren und begann zu summen. Die Geräusche, die sie danach von sich gab, eine Art Wispern, als ließe sie Dampf ab, gehörten zum Schlimmsten, was ich mir vorstellen

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