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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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gehalten hatten und Yngve sich mit einem Comic aufs Bett gelegt hatte, war Vater zu ihm hineingekommen und hatte ihn hochgerissen und an die Wand geworfen, weil er sich geprügelt hatte.
    Nein, es würde das Beste sein hierzubleiben. Wenn Großvater oder Mutter erzählten, dass der Fernseher kaputt war, würde sein Zorn vielleicht verrauchen, während er mit den anderen zusammensaß.
    Ich legte mich wieder aufs Bett. Ein Zittern durchlief unkontrolliert meine Brust, wieder flossen Tränen.
    Ooooo. Ooooo. Ooooo.
    Jetzt würde er bald kommen.
    Ich wusste es.
    Bald würde er kommen.
    Ich legte die Hände auf die Ohren, schloss die Augen und versuchte so zu tun, als gäbe es nichts außer dieser Dunkelheit und diesem Atem.
    Schon bald wurde mir jedoch bewusst, wie schutzlos ich so war, und ich tat das Gegenteil, ich kniete mich aufs Bett und sah aus dem Fenster, auf den Strom aus Licht, der auf den Hügel, die glühenden Dachziegel und die funkelnden Fenster fiel.
    Unten wurde die Tür geöffnet und wieder zugeschlagen.
    Rastlos irrte mein Blick durchs Zimmer. Ich stand auf, zog den Schreibtischstuhl heraus und setzte mich.
    Auf der Treppe waren Schritte zu hören. Sie klangen schwer, es mussten seine sein.
    Ich konnte nicht mit dem Rücken zur Tür sitzen bleiben, so dass ich wieder aufstand und mich auf die Bettkante setzte.
    Er öffnete mit einem Ruck die Tür, machte einen Schritt ins Zimmer, blieb stehen und sah mich an.
    Seine Augen waren schmal, die Lippen zusammengepresst.
    »Was tust du, Junge?«, fragte er.
    »Nichts«, antwortete ich und senkte den Blick.
    »Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!«, sagte er.
    Ich sah ihn an, aber es ging nicht, ich schaute wieder nach unten.
    »Hast du es jetzt auch noch auf den Ohren?«, sagte er. »SIEH MICH AN!«
    Ich sah ihn an, aber seinem Blick begegnen konnte ich nicht.
    Er machte drei schnelle Schritte, packte mein Ohr, drehte es um und zog mich gleichzeitig hoch.
    »Was habe ich dir dazu gesagt, den Fernseher einzuschalten?«, fragte er.
    Ich schluchzte und konnte nicht antworten.
    »WAS HABE ICH GESAGT!«, wiederholte er und drehte fester.
    »Dass ich … dass ich ihn … ihn … nicht einschalten soll«, sagte ich.
    Er ließ das Ohr los, packte mich an beiden Armen und schüttelte mich.
    »JETZT SIEHST DU MICH AN!«, rief er.
    Ich hob den Kopf. Die Tränen radierten ihn fast vollständig aus.
    Seine Finger drückten fester zu.
    »Habe ich dir nicht gesagt, dass du die Finger von dem Fernseher lassen sollst? Was? Habe ich das nicht gesagt? Jetzt müssen wir einen neuen kaufen, und woher sollen wir das Geld dafür nehmen? Kannst du mir das bitte sagen?«
    Er warf mich von sich aufs Bett.
    »Du bleibst jetzt so lange auf deinem Zimmer, bis ich dir Bescheid sage. Hast du verstanden?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Heute Abend hast du Hausarrest, morgen auch.«
    »Ja.«
    Damit ging er. Ich weinte so sehr, dass ich nicht hörte, wohin er ging. Meine Atemzüge waren abgehackt, als bewegten sie sich eine Treppe hinauf. Meine Brust zitterte, meine Hände zitterten. Ich lag da und weinte ungefähr zwanzig Minuten lang. Dann beruhigte ich mich allmählich wieder, woraufhin ich mich aufs Bett kniete und aus dem Fenster sah. Meine Beine zitterten immer noch, genau wie meine Hände, aber es wurde langsam besser, das spürte ich, und es kam mir vor, als wäre ich nach einem Sturm in ein stilles Zimmer gekommen.
    Von meinem Fenster aus konnte ich das Haus von Familie Prestbakmo und den ganzen vorderen Teil ihres Gartens sehen, der an unseren grenzte, des Weiteren Gustavsens Haus und die Vorderseite ihres Gartens, einen Teil von Karlsens Haus und ein wenig von Christensens Haus auf der Hügelkuppe. Die Straße lag bis zum Briefkastenständer hinauf in meinem Blickfeld. Die Sonne, die nachmittags irgendwie eine Spur voller wurde, hing über den Bäumen auf der Anhöhe. Kein Lüftchen regte sich, kein Baum oder Strauch bewegte sich. Die Leute saßen nie in den Gärten vor ihren Häusern, da dies hieße, »auf dem Präsentierteller« zu sitzen, wie Vater häufig bemerkte, und für alle sichtbar zu sein; die Gartenmöbel und Grills der gesamten Nachbarschaft standen hinter den Häusern.
    Plötzlich passierte etwas. Oben bei Karlsens kam Kent Arne aus der Tür gelaufen. Ich sah nur seinen Kopf über dem geparkten Auto, die leuchtend weißen Haare glitten dahin wie eine Puppe in einem Puppentheater. Sekundenlang war er völlig verschwunden, dann tauchte er auf seinem Fahrrad wieder auf. Er stand

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