Spielen: Roman (German Edition)
sowieso lieber die Nachrichten im Radio.«
Er stand von seinem Stuhl auf und trippelte mit seinen kurzen Schritten zum Radio. Ich ging in mein Zimmer. Vor Schreck frierend und mit revoltierendem Magen legte ich mich aufs Bett. Der Bettbezug war unter meiner nackten, warmen Haut kühl. Ich nahm ein Comicheft vom Stapel auf dem Fußboden, konnte aber einfach nicht lesen. Bald würde er hereinkommen, zum Fernseher gehen und ihn einschalten. Wäre ich alleine gewesen, als er kaputtging, hätte ich mich eventuell unbeteiligt geben können, so dass er geglaubt hätte, der Apparat wäre von alleine kaputtgegangen. Aber wahrscheinlich hätte er selbst dann noch erkannt, dass es meine Schuld war, denn für solche Dinge hatte er einen Riecher, mehr als ein kurzer Blick auf mich wäre nicht nötig gewesen, um ihn ahnen zu lassen, dass etwas nicht stimmte, und anschließend eins und eins zusammenzuzählen. Jetzt konnte ich mich ohnehin nicht unbeteiligt geben, da Großmutter und Großvater dabei gewesen waren, sie würden ihm erzählen, was passiert war, und wenn ich versuchte, es zu vertuschen, würde dies alles nur noch viel, viel schlimmer machen.
Ich setzte mich im Bett auf. Da war ein Druck in meinem Bauch, der jedoch nichts von der Wärme und Weichheit einer Krankheit hatte, er war kalt und qualvoll und saß so fest, dass keine Tränen in der Welt ihn würden auflösen können.
Eine Zeitlang saß ich nur da und weinte.
Wäre Yngve doch nur zu Hause gewesen. Dann hätte ich so lange wie möglich mit ihm in seinem Zimmer bleiben können. Aber er war mit Steinar und Kåre schwimmen gegangen.
Das Gefühl, ihm näher zu kommen, wenn ich in sein Zimmer ginge, obwohl es leer stand, ließ mich aufstehen. Ich öffnete die Tür, tapste vorsichtig durch den Flur und in sein Zimmer. Sein Bett war blau lackiert, meins orange, so wie seine Schranktüren blau und meine orange lackiert waren. In seinem Zimmer roch es nach Yngve. Ich ging zum Bett und setzte mich darauf.
Das Fenster stand einen Spaltbreit offen!
Das war mehr, als ich zu hoffen gewagt hatte. Nun konnte ich ihre Stimmen auf der Terrasse hören, ohne dass sie wussten, dass ich mich hier befand. Wäre das Fenster zu gewesen, hätte ich mich verraten, wenn ich es geöffnet hätte.
Vaters Stimme hob und senkte sich ruhig, wie sie es immer tat, wenn er gut gelaunt war. Von Zeit zu Zeit hörte ich Mutters hellere, sanftere Stimme. Im Wohnzimmer lief das Radio. Aus irgendeinem Grund bildete ich mir ein, dass Großmutter und Großvater schliefen, dass sie mit offenem Mund und geschlossenen Augen auf ihren Stühlen saßen, vielleicht, weil sie so manchmal daheim in Sørbøvåg zusammensaßen, wenn wir sie dort besuchten.
Draußen klirrten Tassen.
Räumten sie das Geschirr ins Haus?
Ja, denn unmittelbar darauf hörte ich das Klackern von Mutters Sandalen, als sie ums Haus herumging.
Dann würde ich sie für mich alleine haben! Dann würde ich es zuerst ihr erzählen können!
Ich wartete, bis ich hörte, dass unten die Tür geöffnet wurde. Als Mutter anschließend die Treppe mit einem Tablett mit Tassen, Tellern, Gläsern und der glänzenden Kaffeekanne mit dem roten Deckel hochkam, die auf einem Kranz aus Wäscheklammern stand, den Yngve gebastelt hatte, trat ich in den Flur hinaus.
»Du bist bei dem schönen Wetter im Haus?«, fragte sie.
»Ja«, antwortete ich.
Sie wollte an mir vorbeigehen, blieb dann aber stehen.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte sie.
Ich senkte den Blick.
»Was ist los?«
»Der Fernseher ist kaputt«, antwortete ich.
»Oh nein«, sagte sie. »Das ist ja blöd. Sitzen Großmutter und Großvater im Wohnzimmer?«
Ich nickte.
»Ich wollte sie gerade holen. Es ist so ein wunderschöner Abend. Willst du nicht auch rauskommen? Wenn du möchtest, darfst du noch etwas Saft haben.«
Ich schüttelte den Kopf, kehrte in mein Zimmer zurück und blieb hinter der Tür stehen. Wäre es vielleicht das Ge scheiteste, mit den anderen hinauszugehen? Solange sie dabei wa ren, würde er nichts unternehmen, selbst wenn er erfahren sollte, dass ich den Fernseher kaputtgemacht hatte.
Andererseits würde ihn das womöglich noch wütender machen. Als wir das letzte Mal in Sørbøvåg gewesen waren, hatten alle am Essenstisch zusammengesessen, als Kjartan erzählte, dass Yngve sich mit Bjørn Atle, dem Jungen vom Nachbarhof, geprügelt hatte. Darüber hatten alle gelacht, auch Vater. Aber als Mutter mit mir einkaufen gegangen war, die anderen einen Mittagsschlaf
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