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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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einmaligen Art fand, in der sie standen, aber auch in der Ausstrahlung, die Stämme und Wurzeln, Rinde und Äste, Licht und Schatten insgesamt vermittelten. Es kam einem vor, als würden sie sprechen. Natürlich nicht mit Stimmen, sondern mit dem, was sie waren, und man hatte das Gefühl, dass sie sich dem Betrachter entgegenstreckten . Und das war das Einzige, worüber sie sprachen: was sie waren, sonst nichts. Wo immer ich in der Siedlung oder im umliegenden Wald unterwegs war, hörte ich diese Stimmen oder spürte den Abdruck, den diese unendlich langsam wachsenden Geschöpfe hinterließen. Da war die Fichte am Bach unterhalb des Hauses, deren Stamm an ihrem Fuß so unglaublich dick, deren Borke gleichzeitig jedoch feucht war, die Wurzeln, die weit entfernt von ihr wie mächtige Taue auftauchten. Die Art, in der sich ihre Äste in einer stetig weitergeführten Pyramidenform abwärtslegten, aus der Ferne scheinbar dicht und glatt, aus der Nähe dagegen voller kleiner, dunkelgrüner, in sich vollendet geformter Nadeln. All die trockenen Äste, hellgrau und porös, die unterhalb der Fichtennadeldecke wuchsen und die nicht grau waren, sondern fast schwarz. Die Kiefer auf Prestbakmos Grundstück, rank und schlank wie ein Schiffsmast, mit rotgefleckter Rinde und kleinen grünen, leicht schwankenden Nadelbüscheln an der äußersten Spitze jedes der Äste, die erst kurz vor dem Wipfel wuchsen. Die Eiche hinter dem Fußballplatz, deren Stamm am Fuß eher einem Stein als etwas Hölzernem glich, der ansonsten jedoch alles von der Kompaktheit der Fichte abging, denn die Äste dieser Eiche strebten in alle Richtungen, wölbten einen dünnen Himmel aus Blättern über dem Waldboden, der so filigran war, dass man niemals geglaubt hätte, dass es nicht nur eine Verbindung zwischen dem untersten Teil des Stammes und den äußersten dürren Zweigen gab, sondern dass er tatsächlich ihr Ursprung und Erzeuger war. Mitten auf dem Stamm lag etwas Höhlenähnliches, der Baum hatte sich irgendwie zu einem sanft geformten, aber dennoch harten und knorrigen Oval ergossen, dessen Inneres die Größe eines kleinen Kopfes hatte. Und die Blätter, die alle, unabhängig davon, wo sie sprossen, das gleiche schöne, mal gebogene, mal gezackte Muster wiederholten, sowohl wenn sie grün, dick und glatt an einem der Äste hingen als auch ein paar Monate später, wenn sie rotbraun und spröde auf dem Waldboden lagen. Rund um diesen Baum war die Erde im Herbst stets von einem dicken Blätterteppich bedeckt, anfangs flammend gelb und grün, dann dunkler und nasser, je mehr Zeit verging.
    Schließlich gab es da noch den Baum auf dem Hang vor dem Sumpf. Ich wusste nicht, was für ein Baum es war. Er bildete keine Einheit wie die anderen großen Bäume, sondern wuchs in vier gleichwertigen Stämmen, die schlangenartig nach außen wogten, eine graugrüne Rinde voller langer Scharten hatten und sich auf ihre Art über ein ebenso großes Areal erstreckten wie die Eiche oder die Fichte, aber der Eindruck war nicht so imposant, eher schleichend. An einem der Äste hing eine Seilschaukel, die wahrscheinlich die Kinder an der oberhalb gelegenen Straße angebracht hatten, die ebenso nahe an diesem Ort wohnten wie ich. Momentan war dort keiner, so dass ich den kleinen Hügel unter den Ästen hinaufging, mit beiden Händen den Holzgriff packte und mich hinauswarf, was ich noch zwei Mal wiederholte. Anschließend blieb ich eine Weile unter dem Baum stehen und überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Aus dem Haus oberhalb des Anstiegs, in dem ein Paar mit einem ganz kleinen Kind wohnte, drangen Stimmen und das Klirren von Besteck an mein Ohr. Ich konnte zwar niemanden sehen, begriff jedoch, dass sie im Garten sein mussten. Irgendwo in der Ferne hörte man ein Flugzeug. Ich machte ein paar Schritte in den eingetrockneten Sumpf hinein und suchte den Himmel ab. Ein kleines Wasserflugzeug kam vom Meer, flog relativ niedrig, die Sonne blitzte auf dem weißen Rumpf. Als es hinter den Anhöhen verschwand, lief ich weiter, in den Schatten des Hügels auf der anderen Seite, wo die Luft ein wenig kühler war. Ich schaute zu Kanestrøms Haus hinauf und dachte, dass sie in diesem Moment bestimmt Makrelen aßen, da im Freien jedenfalls niemand zu sehen war, und schaute dann zu dem Pfad hinunter, auf dem ich jeden Stein, jede Mulde, jede Sode, jede Unebenheit kannte. Hätte man hier ein Wettrennen organisiert, auf diesem Pfad, der von unserem Haus bis zum B-Max

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