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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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was in den nächsten Tagen auf den Tisch kommt!«
    Er stellte den Eimer auf den schmalen Steg, hob einen alten Benzinkanister an und setzte ihn daneben. Danach folgten ein paar Gittersiebe und ein Kasten mit Haken und Blinkern. Währenddessen summte er ein altes Lied.
    »Wissen Sie, wo Dag Lothar ist?«, fragte ich.
    »Nein, das kann ich dir leider nicht sagen«, antwortete er. »Suchst du nach ihm?«
    »Ja, kann sein«, sagte ich.
    »Soll ich dich nach oben mitnehmen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Lieber nicht. Wissen Sie, ich habe ziemlich viel zu tun.«
    »Wie du meinst«, sagte er und trat auf den Steg, bückte sich und hob seine Sachen auf. Ich eilte an Land, um nicht neben ihm gehen zu müssen, lief über den steinigen Parkplatz und balancierte auf dem Bordstein, bis ich zur Hauptstraße gelangte, von der ein ziemlich steiler Pfad in den Wald abzweigte. Er führte nach Nabben hinaus, der Badestelle, die alle in unserer Siedlung nutzten. Dort konnte man von einem zwei Meter hohen Felsen ins Wasser springen und zur Insel Gjerstadholmen hinüberschwimmen, die auf der anderen Seite eines etwa zehn Meter breiten Kanals lag. Obwohl das Wasser tief war und ich nicht schwimmen konnte, hielt ich mich manchmal dort auf, weil immer etwas los war.
    Jetzt drangen Stimmen aus dem Wald. Eine helle Kinderstimme und die etwas dunklere Stimme eines Jugendlichen. Im nächsten Moment tauchten Dag Lothar und Steinar zwischen den sonnenbefleckten Baumstämmen auf. Sie hatten nasse Haare und trugen jeder ein Handtuch unter dem Arm.
    »Hallo, Karl Ove!«, rief Dag Lothar, als er mich sah. »Ich habe gerade eine Kreuzotter gesehen!«
    »Wirklich?«, sagte ich. »Wo? Hier?«
    Er nickte und blieb vor mir stehen. Steinar stand daneben und nahm eine Körperhaltung ein, die erkennen ließ, dass er nicht die Absicht hatte, sich an unserem Gespräch zu beteiligen, sondern möglichst schnell weiterwollte. Steinar ging in die Gesamtschule, in die Klasse meines Vaters. Er hatte lange, dunkle Haare und einen dunklen Schatten dünner Haare auf der Oberlippe. Er spielte Bass und hatte sein Zimmer im Partykeller, mit eigenem Eingang.
    »Weiß du, ich bin da runtergelaufen«, sagte Dag Lothar und zeigte den Weg hinab. »Fast so schnell, wie ich konnte, und als ich um die Biegung kam, lag eine Kreuzotter auf dem Weg. Ich hätte fast nicht mehr bremsen können!«
    »Was ist passiert?«, fragte ich.
    Wenn es etwas gab, wovor ich wirklich Angst hatte, dann waren es Schlangen und Würmer.
    »Sie ist ganz schnell in die Sträucher gekrochen.«
    »Bist du sicher, dass es eine Kreuzotter war?«
    »Ja, hundert Prozent. Sie hatte so ein Zickzackmuster auf dem Kopf.«
    Er sah mich grinsend an. Sein Gesicht war dreieckig, seine Haare waren hell und weich, die Augen blau, der Ausdruck in ihnen war oft eifrig und intensiv.
    »Traust du dich jetzt nicht mehr, da runterzugehen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Sind Geir und die anderen da unten?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nur Jørn und sein kleiner Bruder und die Eltern von Eva und Marianne.«
    »Kann ich mit euch kommen?«, fragte ich.
    »Klar«, antwortete Dag Lothar. »Aber ich kann nicht spielen, wir essen jetzt.«
    »Ich muss auch nach Hause«, erwiderte ich. »Ich will meine Bücher einbinden.«

Als wir zur Straße vor unserem Haus kamen und Dag Lothar und Steinar zu ihrem Haus weiterschlenderten, ging ich nicht gleich hinein, sondern blieb noch einen Moment stehen und schaute mich nach Geir und Leif Tore um, aber sie waren nirgendwo zu sehen. Leicht zögernd setzte ich mich in Bewegung. Die Sonne, die kurz über der Hügelkuppe stand, brannte auf meinen Schultern. Für den Fall, dass sie dort auftauchen sollten, warf ich einen letzten Blick die Straße hinab und lief anschließend auf den Weg hinter dem Haus. Der erste Teil verlief parallel zu unserem Gartenzaun, der zweite Teil an Prestbakmos Steinmauer vorbei, halb verborgen hinter vielen schlanken, jungen Espen, die dort wuchsen und den ganzen Sommer hindurch zitterten, wenn nachmittags die Landbrise einsetzte. Danach trennten sich Siedlung und Weg, und er verlief durch ein Feld, das dicht mit jungen Laubbäumen bewachsen war, führte danach durch einen sumpfigen Abschnitt, an dessen hinterem Ende eine kleine Wiese unter einer riesigen Buche lag, die schräg aus dem steilen Hang wuchs und alles um sich herum in Schatten hüllte.
    Es war seltsam, dass alle großen Bäume ihre ganz eigene Persönlichkeit besaßen, die ihren Ausdruck in der jeweils

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