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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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bewegten sich, ansonsten herrschte Stille. Vater hatte irgendetwas auf dem Herzen.
    »Yngve ist noch nicht nach Hause gekommen?«, fragte er.
    »Nein«, antwortete Mutter. »So langsam mache ich mir fast ein bisschen Sorgen.«
    Vater senkte den Blick.
    »Was hast du da angeschleppt?«, wollte er wissen.
    »Es geht um den Schwimmkurs«, antwortete ich. »Mama soll den Zettel unterschreiben.«
    »Lass mal sehen«, sagte er, griff nach dem Blatt und las es sich durch. Dann nahm er den Stift vom Tisch, schrieb seinen Namen darauf und reichte es mir.
    »Hier«, sagte er und nickte zum Tisch hin. »Du nimmst das jetzt alles mit auf dein Zimmer. Du kannst das bei dir fertig machen. Hier wird jetzt zu Abend gegessen.«
    »Ja, Papa«, sagte ich, legte die Bücher auf einen Stapel, rollte das Papier zusammen und schob es mir unter den Arm, nahm mit der einen Hand die Schere und das Klebeband, mit der anderen die Bücher und verließ den Raum.
    Während ich an meinem Schreibtisch saß und den Einband für das letzte Buch zurechtschnitt, plumpste unter dem Fenster ein Fahrrad auf den Kies. Unmittelbar darauf wurde die Haustür geöffnet.
    Als er die Treppe heraufkam, erwartete Vater ihn schon im Flur.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er.
    Yngves Antwort war so leise, dass ich sie nicht hören konnte, aber er schien eine gute Entschuldigung zu haben, denn im nächsten Moment durfte er auf sein Zimmer gehen. Ich legte das Buch auf das Papier, das ich abgeschnitten hatte, schlug es auf und legte ein anderes Buch zum Beschweren darauf, während ich versuchte, das dünne Klebeband loszukratzen, das fest an der Rolle klebte. Als ich das Ende endlich zu fassen bekam und daran zog, riss es ein, und ich musste noch einmal von vorne anfangen.
    Hinter mir wurde die Tür geöffnet. Es war Yngve.
    »Was machst du da?«, erkundigte er sich.
    »Ich binde meine Bücher ein, das siehst du doch«, antwortete ich.
    »Nach dem Training gab es noch Frikadellen und Limonade«, erzählte Yngve. »Im Vereinsheim. In unserer Mannschaft spielen Mädchen mit. Eine war richtig gut.«
    »Mädchen?«, sagte ich. »Ist das erlaubt?«
    »Natürlich ist das erlaubt. Und Karl Fredrik ist richtig nett.«
    Durch das offene Fenster schallten Schritte und Stimmen herauf. Ich presste das Stück Klebeband an meinem Zeigefinger aufs Papier und ging hin, um nachzusehen, wer es war.
    Geir und Leif Tore. Sie blieben vor Leif Tores Einfahrt stehen und lachten über etwas. Dann sagten sie Tschüss, und Geir lief das kurze Stück bis zur Einfahrt zu ihrem Haus. Als er dort einbog und ich zum ersten Mal sein Gesicht sehen konnte, lag ein Lächeln auf seinen Lippen. Die Hand hatte er in der Tasche seiner Shorts geballt.
    Ich drehte mich zu Yngve um.
    »Und was wirst du spielen?«
    »Keine Ahnung«, meinte er. »Bestimmt Verteidiger.«
    »Welche Farbe haben die Trikots?«
    »Blau und weiß.«
    »Genau wie Trauma?«
    »Fast«, antwortete er.
    »Essen!«, rief Vater aus der Küche. Als wir hereinkamen, stand an unserem Platz jeweils ein Teller mit drei Scheiben Brot und ein Glas Milch. Kümmelkäse, Molkekäse und Marmelade. Mutter und Vater saßen im Wohnzimmer und sahen fern. Die Straße draußen war grau, und das waren die Äste der Bäume am Straßenrand beinahe auch, wogegen der Himmel über den Bäumen auf der anderen Seite des Sundes nach wie vor blau und offen war, so als wölbte er sich über einer anderen Welt als jener, in der wir saßen.
    Am nächsten Morgen wurde ich davon geweckt, dass Vater die Tür zu meinem Zimmer öffnete.
    »Raus aus den Federn, du kleiner Siebenschläfer!«, sagte er. »Die Sonne scheint, und die Vögel singen!«
    Ich schlug die Decke zurück und setzte die Füße auf den Boden. Abgesehen von Vaters Schritten, die sich im Flur verloren, herrschte im ganzen Haus Stille. Es war Dienstag. Mutter musste früh zur Arbeit und Yngve früh in die Schule, während Vater erst in der zweiten Stunde unterrichten musste.
    Ich ging zum Schrank, sah den Kleiderstapel durch und entschied mich für das weiße Hemd, mein schönstes, und die blaue Cordsamthose. Aber das Hemd war bestimmt zu schick, überlegte ich, es würde ihm auffallen und ihn unter Umständen veranlassen, mich zu fragen, warum ich mich so herausputzte, um mich anschließend zu bitten, es wieder auszuziehen. Da nahm ich lieber gleich das weiße Adidas-T-Shirt.
    Mit den Kleidern unter dem Arm ging ich ins Bad. Glücklicherweise hatte Yngve nicht vergessen, das Wasser im Becken stehen zu

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