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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Gedanken, sondern dem Geschehen folgte. An diesem Nachmittag legte ich das Heft allerdings relativ schnell wieder weg, da ich aus irgendeinem Grund nicht still sitzen konnte, und da es erst fünf war, beschloss ich, noch etwas hinauszugehen. Ich blieb an der Treppe stehen, kein Mucks, sie war immer noch unten. Was machte sie da eigentlich? Sie war doch sonst fast nie da unten. Jedenfalls nicht um diese Uhrzeit, dachte ich, bückte mich im Hausflur nach meinen Schuhen und zog sie an. Anschließend klopfte ich an die Tür von Vaters Arbeitszimmer. Das heißt, die Tür führte zu einem Flur, von dem drei Zimmer abgingen: das Bad, das Arbeitszimmer und die Küche mit der kleinen Kammer dahinter. Das Ganze war zwar eine Einliegerwohnung, aber es hatte nie jemand in ihr gewohnt.
    »Ich gehe noch was raus!«, rief ich. »Zu Geir!«
    Ich war ermahnt worden, immer Bescheid zu sagen, wenn ich wegging und wohin ich ging.
    Trotzdem war Vaters Stimme, die erst nach sekundenlanger Stille aus dem Arbeitszimmer ertönte, jetzt gereizt.
    »Ja gut, ja gut!«, rief er.
    Erneut verstrichen einige stille Sekunden.
    Dann hörte ich Mutters – freundlichere – Stimme, als wollte sie Vaters wiedergutmachen.
    »In Ordnung, Karl Ove, geh nur!«
    Ich schlüpfte hinaus, schloss behutsam die Tür hinter mir und lief zu Geir hinauf. Stand vor seinem Haus und rief ein paar Mal nach ihm, bis seine Mutter ums Haus herumkam. Sie hatte Gartenhandschuhe angezogen und trug ansonsten khakifarbene Shorts, ein blaues Hemd und schwarze Holzschuhe. In der Hand hielt sie eine rote Gartenschaufel.
    »Hallo, Karl Ove«, sagte sie. »Geir ist gerade eben mit Leif Tore weggegangen.«
    »Wo sind sie hin?«
    »Keine Ahnung. Das hat er nicht gesagt.«
    »Okay. Tschüss!«
    Ich wandte mich um und ging mit Tränen in den Augen langsam die Einfahrt hinunter. Warum hatten sie nicht bei mir geklingelt?
    Ich blieb vor den Bordsteinen der beiden parallel verlaufenden Straßen stehen, rührte mich eine Weile nicht vom Fleck und horchte auf sie. Kein Mucks. Ich setzte mich auf den einen Bordstein. Der raue Beton piekste an den Oberschenkeln. Im Graben zwischen den beiden Straßen wuchs Löwenzahn, der vom Straßenstaub ganz grau war. Ein heruntergefallener Kanalrost lag daneben, er war rostig, und zwischen den Stangen klemmte eine sonnenverblichene Zigarettenschachtel.
    Wohin mochten sie gegangen sein?
    Nach Ubekilen?
    Zu den Bootsanlegern?
    Zum Fußballfeld und dem Spielplatz?
    Hatte Geir Leif Tore etwa zu einem unserer Plätze mitgenommen?
    Den Berg hinauf?
    Ich spähte hoch. Dort war jedenfalls nichts von ihnen zu sehen. Ich stand auf und ging die Straße hinunter. An der Kreuzung beim Kirschbaum standen einem drei Wege zur Auswahl, wenn man zu den Ponton-Stegen wollte. Ich entschied mich für den rechten, durch das Tor, den Pfad entlang, der unter den tiefen Schatten der großen Eichen von Erde und Zweigen bedeckt war, zur Wiese hinunter, auf der wir häufig Fußball spielten, obwohl sie zu beiden Seiten hin abfiel und in dem kniehohen Gras, das schon Anfang des Frühjahrs niedergetrampelt war, sogar kleine Bäume wuchsen, am Steilhang mit seinen grauen, hier und da mit Flechten überwucherten, ansonsten jedoch nackten Felsen vorbei und durch den Wald zur Straße hinunter. Auf der anderen Seite lag der kürzlich aus dem Fels gesprengte Bootshafen mit seinen drei identischen Anlegern, jeder mit holzverkleideten Brückenstegen und orangen Pontons.
    Dort waren sie auch nicht. Trotzdem ging ich auf einen der Stege hinaus; ein Segelboot hatte gerade an seinem äußeren Ende angelegt, es war Kanestrøms Boot, und ich ging zu ihm, um zu sehen, was da vor sich ging. Kanestrøm war alleine an Bord und hob nur kurz den Kopf, als ich am Bug stehen blieb.
    »Du bist das?«, sagte er. »Ich war kurz zum Fischen draußen.«
    Die Sonne blitzte in seinen Brillengläsern. Er hatte einen Schnurrbart, kurze Haare, eine kleine Glatze, trug blaue Jeansshorts und ein kariertes Hemd, seine Füße steckten in Sandalen.
    »Willst du mal sehen?«
    Er hob einen roten Eimer zu mir hoch. Er war voller dünner, glatter, bläulich glänzender Makrelen. Eine von ihnen zuckte, und die Bewegung setzte sich in den anderen Körpern fort, die so dicht nebeneinanderlagen, dass es sich um ein einziges Wesen hätte handeln können.
    »Wow!«, sagte ich. »Die haben Sie alle gefangen?«
    Er nickte.
    »Hat nur ein paar Minuten gedauert. Gleich hier draußen war ein großer Schwarm. Jetzt wissen wir jedenfalls,

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