Spielen: Roman (German Edition)
danach wieder weggefahren? Oder kam er auch zu spät?«
Der Gedanke, so abwegig er auch sein mochte, ließ in mir eine leise Hoffnung aufkeimen.
Über die Straße, in die Einfahrt. Vater konnte hinter dem Haus sein, um die Ecke kommen. Er konnte im Flur stehen und mich erwarten oder in seinem Arbeitszimmer sitzen und die Tür aufreißen, sobald er mich hörte. Er konnte am Küchenfenster stehen und warten, bis ich hochkam.
Vorsichtig schloss ich die Tür hinter mir und blieb sekundenlang vollkommen regungslos stehen. Über mir ging jemand über den Küchenfußboden. Das waren Vaters Schritte. Ich zog meine Stiefel aus, stellte sie an die Wand, knöpfte die Regenjacke auf, zog die Regenhose herunter, brachte beides in den Heizungskeller und hängte dort die Sachen auf die Wäscheleine. Blieb stehen und betrachtete mich kurz im Spiegel über der Kommode. Meine Wangen waren gerötet, die Haare zerzaust, unter meiner Nase hing ein wenig klarer Nasenschleim. Meine Zähne standen wie üblich vor. Oder waren Hasenzähne, wie man so sagte. Ich stieg die Treppe hinauf und betrat die Küche. Mutter spülte, Vater saß am Tisch und aß Krabbenscheren. Beide sahen mich an. Der Topf mit dem Milchreis stand auf dem Herd, der orange Plastiklöffel lugte aus ihm heraus.
»Ich habe die Zeit vergessen«, sagte ich. »Tut mir leid. Wir waren unterwegs und hatten Spaß.«
»Setz dich«, sagte Vater. »Du hast doch bestimmt Hunger.«
Mutter holte einen Teller aus dem Schrank, füllte ihn mit Milchreis und stellte die Zuckerdose, die Margarinepackung und den Zimtstreuer, die sie noch nicht weggeräumt hatte, daneben.
»Wo wart ihr denn?«, fragte sie. »Oh, da fehlt ja noch der Löffel.«
»Wir sind nur ein bisschen herumgelaufen«, antwortete ich.
»Du und …?«, sagte Vater fragend, ohne mich anzusehen. Er klappte die kleinen, weißen Zipfel, die aus dem Ende der orangen und haarigen Schere ragten, zur Seite, setzte sie an den Mund und saugte mit einem kurzen, schlürfenden Laut. Ich hörte, wie das Fleisch nachgab und in seinen Mund schoss.
»Geir, Leif Tore und Trond«, sagte ich. Er knackte die leere Schere am Gelenk und lutschte am nächsten. Ich gab einen Klecks Margarine in den Brei, obwohl er nicht mehr so warm war, dass sie schmelzen würde, und streute Zimt und Zucker darüber.
»Ich habe die Dachrinne saubergemacht«, sagte er. »Da hättest du eigentlich dabei sein sollen.«
»Oh, aha«, sagte ich.
»Aber gleich will ich ein bisschen Holz hacken. Wenn du gegessen hast, kommst du mit.«
Ich nickte und versuchte erfreut auszusehen, aber er konnte meine Gedanken lesen.
»Wenn das Spiel übertragen wird, gehen wir natürlich rein«, sagte er. »Wer spielt heute eigentlich?«
»Stoke gegen Norwich«, antwortete ich.
»Noritsch«, korrigierte er mich.
»No-ritsch«, sagte ich.
Ich mochte Norwich, die grünen und gelben Trikots der Mannschaft. Stoke mit seinen roten, schrägen Streifen auf den weißen Hemden gefiel mir auch. Am liebsten mochte ich allerdings Wolverhampton, die in Orange und Schwarz spielten und als Vereinsemblem das Bild eines Wolfs hatten. Die Wolves, das war meine Mannschaft.
Am liebsten hätte ich auf meinem Bett gelegen und gelesen, bis das Spiel begann, aber ich konnte zu einem Vorschlag Vaters nicht Nein sagen, und angesichts dessen, was hätte passieren können, musste ich mich wohl glücklich schätzen.
Der Milchreis war so kalt, dass ich ihn innerhalb weniger Minuten aufgegessen hatte.
»Bist du satt?«, fragte Vater.
Ich nickte.
»Dann wollen wir mal«, sagte er.
Er schaufelte die leeren Krabbenschalen in den Abfalleimer, stellte die Teller auf die Arbeitsfläche und ging von mir gefolgt hinaus. Aus Yngves Zimmer drang Musik. Verwirrt starrte ich seine Tür an. Wie war das möglich? Sein Fahrrad war doch nicht da?
»Jetzt komm schon«, sagte Vater, der schon am nächsten Treppenabsatz stand. Ich folgte ihm. Jacke und Stiefel an, auf den Kies hinaus und auf ihn warten, bis er ein paar Minuten später kam, in seiner Hand die Axt haltend und mit einem verspielten Funkeln in den Augen. Hinter ihm auf den Steinplatten, dann schräg über den durchweichten Rasen. Eigentlich durften wir nicht über das Gras laufen, aber wenn ich mit ihm zusammen war, wurden Verbote wie dieses manchmal aufgehoben.
Er hatte vor geraumer Zeit am Zaun zum Gemüsegarten eine Birke gefällt, von der nur ein Stapel Holzklötze geblieben war, die er nun zu Scheiten spalten wollte. Ich sollte nichts tun, nur
Weitere Kostenlose Bücher