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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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dabeistehen und zusehen, um ihm »Gesellschaft zu leisten«, wie er es nannte.
    Er zog die Plastikplane zurück, nahm einen Holzklotz und setzte ihn auf den Hackblock.
    »Und?«, sagte er, hob die Axt über die Schulter, konzentrierte sich kurz und schlug zu. Die Klinge sank in das weiße Holz. »Was meinst du, gefällt es dir in der Schule?«
    »Ja, klar«, antwortete ich.
    Er hob den Klotz mit der Axt an und schlug ihn mehrfach auf den Hackblock, bis er sich in zwei Hälften teilte. Er nahm die Teile, spaltete sie, legte sie am Fels auf die Erde, wischte sich mit der Hand den Schweiß aus der Stirn und richtete sich auf. Seiner ganzen Gestalt war anzusehen, dass er zufrieden war.
    »Und deine Lehrerin?«, fragte er. »Hieß sie nicht Torgersen?«
    »Ja«, antwortete ich. »Sie ist nett.«
    »Nett?«, fragte er, holte einen neuen Holzklotz, wiederholte die Prozedur.
    »Ja«, sagte ich.
    »Gibt es denn auch welche, die du nicht so nett findest?«, erkundigte er sich.
    Ich zögerte. Er hielt kurz in seinen Bewegungen inne.
    »Na ja, wenn du sagst, dass sie nett ist, dann muss es doch auch jemanden geben, der nicht so nett ist. Wenn nicht, verliert das Wort ja völlig seine Bedeutung. Verstehst du?«
    Er hackte weiter.
    »Ich glaube schon«, sagte ich.
    Es entstand eine Pause. Ich drehte mich um und betrachtete das Wasser, das auf der anderen Straßenseite das Gras überschwemmt hatte.
    »Myklebust ist nicht so nett«, erklärte ich und drehte mich wieder um.
    »Myklebust!«, sagte Vater. »Weißt du was, den kenne ich.«
    »Du kennst ihn?«, fragte ich.
    »Allerdings. Ich treffe ihn regelmäßig bei Sitzungen des Lehrerverbands. Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, werde ich ihm ausrichten, dass du mir erzählt hast, er würde euch nicht so nett behandeln.«
    »Nein, tu das bitte nicht!«, rief ich.
    Er grinste.
    »Natürlich tue ich das nicht«, erwiderte er. »Keine Sorge.«
    Dann wurde es wieder still. Vater arbeitete, ich stand mit hängenden Armen daneben und schaute zu. Meine Füße, die ohne dicke Socken in den Stiefeln steckten, kühlten allmählich aus. Und meine Finger wurden langsam kalt.
    Die ganze Gegend war völlig verwaist. Abgesehen von gelegentlich vorbeifahrenden Autos war kein Mensch zu sehen. Die Lampen in den Häusern leuchteten jetzt heller, von der einsetzenden Abenddämmerung sozusagen eingestellt und geschärft, die dank des klaren Himmels aus dem Erdboden aufzusteigen schien. Als gäbe es unter uns ein Reservoir aus Dunkelheit, das jeden Nachmittag begann, aus Tausenden, ja Millionen kleiner Löcher in der Erde hochzusickern.
    Ich sah Vater an. Über seine Stirn lief Schweiß. Ich rieb die Handflächen ein paar Mal aneinander. Er beugte sich vor. Als er nach dem Holzklotz griff und sich aufrichten wollte, ließ er gleichzeitig einen fahren. Es gab nicht den geringsten Zweifel.
    »Du hast mir gesagt, man darf nur auf dem Klo einen fahren lassen«, sagte ich.
    Er antwortete zunächst nicht.
    »Wenn man im Freien ist, an der frischen Luft, ist das etwas anderes«, meinte er schließlich, ohne meinem Blick zu begegnen. »Dann kann man, nun ja, frei heraus einen fahren lassen.«
    Er schlug die Axt in den Holzklotz, der sich beim ersten Versuch spaltete. Das Geräusch seines Schlages wurde von der Hauswand zurückgeworfen und danach vom Berg darüber, Letzteres jedoch mit einer eigentümlichen Verzögerung, als stünde dort oben ein Mann und schlüge jedes Mal genau eine Sekunde nach Vater zu.
    Vaters Axt traf erneut den Klotz, und anschließend warf er die vier Holzscheite auf den Haufen und holte einen neuen Klotz.
    »Könntest du sie vielleicht schon einmal stapeln, Karl Ove?«, sagte er.
    Ich nickte und ging zu dem kleinen Haufen Holzscheite.
    Wie sollte ich vorgehen? Wie stellte er sich das vor? Am Fels entlang oder davon abstehend? Ein kurzer oder ein langer Stapel?
    Ich sah ihn an, aber er merkte es nicht. Also ging ich in die Hocke, nahm einen Holzscheit in die Hand, legte ihn an den Fels und legte den nächsten daneben. Als ich fünf hintereinandergelegt hatte, legte ich einen quer auf die anderen. Der eine war genauso lang wie die fünf kurzen Seiten zusammen. Anschließend legte ich vier weitere dazu, so dass zwei gleichgroße Quadrate entstanden. Als Nächstes würde ich entweder zwei gleichartige Quadrate danebenlegen oder anfangen können, eine neue Schicht zu legen.
    »Was machst du denn da?«, sagte Vater. »Sag mal, spinnst du? So stapelt man doch kein Brennholz auf!«
    Er bückte

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