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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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miteinander verband, verlief in einem Kreis, innerhalb dessen unsere eigene Ringstraße lag. Als wäre das nicht schon genug, verlief die Hauptstraße außerhalb von ihr wiederum in einem Kreis rund um die ganze Insel. Wir wohnten also in einem Kreis in einem Kreis in einem Kreis. Hundert Meter hinter dem Supermarkt verliefen die beiden äußeren Straßen parallel, was man jedoch nicht sah, denn sie waren durch eine kleine, etwa zehn Meter hohe Felswand getrennt, um die eine Betonmauer gegossen war. Auf dieser Mauer erhob sich ein grüner Maschendrahtzaun, über dem eine schräge Geröllhalde lag, und erst über dieser verlief dann die Straße, die wir nahmen. Aber obwohl wir die Autos nicht sahen, die unter uns vorbeirauschten, so konnten wir sie doch hören. Die Motorengeräusche waren spannend, und wir kletterten zu dem Zaun hinunter. Anfangs hörten wir die Autos, wenn sie von der Fina-Tankstelle kommend den Anstieg hinauffuhren, als ein schwaches Säuseln, das aber immer lauter wurde, bis sie unter uns vorbeirauschten, wobei das Motorengeräusch von der Wand noch verstärkt wurde. Uns kam die Idee, mit Steinen nach ihnen zu werfen. Da wir die Autos nicht sehen konnten, kam es darauf an, sorgsam die Geräusche zu berechnen. Wir nahmen jeder einen Stein in die Hand und warteten auf das nächste Auto. Die Steine waren groß, größer als unsere Hände, aber leicht genug, um sie über den Zaun werfen zu können, von wo aus sie die zehn Meter bis zur Fahrbahn hinunterfielen. Geir sollte anfangen. Er warf, als der Wagen genau unter uns war, und verfehlte ihn natürlich, woraufhin wir das hohle, leise Klackern hörten, als der Stein auf dem Asphalt landete und über die Fahrbahn holperte. Als ich an der Reihe war, warf ich dagegen viel zu früh; als der Stein auf den Asphalt schlug, war das Auto noch etwa fünfzig Meter entfernt.
    Auf dem Bürgersteig näherte sich eine Frau, die in jeder Hand eine Einkaufstasche trug. Sie blieb stehen und sprach uns an, obwohl wir sie noch nie gesehen hatten.
    »Was treibt ihr denn da?«, fragte sie.
    »Nichts Besonderes«, antwortete Geir.
    »Ihr kommt jetzt besser wieder hoch«, sagte sie. »Da unten ist es steil und gefährlich.«
    Sie setzte sich wieder in Bewegung, ließ uns aber nicht aus den Augen, so dass wir es für besser hielten, ihrer Anweisung zu folgen, und weiter die Straße hinaufgingen.
    Auf der ganzen Strecke bis zu Vemund balancierten wir auf dem Bordstein. Seine Schwester kniete vor dem Haus in einem Sandkasten und spielte. Ihre Regenjacke war gelb, der Eimer blau, die Schaufel grün.
    »Wollen wir zuerst zu Vemund gehen?«, fragte Geir.
    »Nein, lieber nicht«, antwortete ich. »Wir fangen mit Anne Lisbet an.«
    Der Klang ihres Namens war elektrisierend, tausende Funken sprühende Bahnen öffneten sich in mir, wenn ich ihn in den Mund nahm.
    »Was ist los?«, fragte Geir.
    »Was meinst du?«, fragte ich zurück.
    »Du bist so komisch.«
    »Komisch, ach was. Ich bin wie immer.«
    Nach ein paar Schritten die Straße hinauf, die auf einer Seite von einem Wasserfilm überzogen war, der abwärtsfloss und so dünn war, dass er eher zu zittern als zu fließen schien, tauchte die Giebelwand von Annes Lisbets Haus vor uns auf. Es lag auf einem Hügel, auf der Vorderseite gab es eine Rasenfläche, hinter ihm Reste des Waldes. In der oberen Etage sah ich ein Fenster, in dem Licht brannte, war das vielleicht ihr Zimmer? Auf der anderen Straßenseite standen Myrvangs Haus und das Haus, in dem Solveig wohnte, darunter lag grün, dunkel und nass der Wald. Wir gingen an ihnen vorbei, und die Straße endete in einem nicht asphaltierten Wendekreis am Waldrand, von dem die Einfahrt zu Anne Lisbets Haus abging. Über der Eingangstür brannte eine Außenleuchte.
    »Klingelst du?«, fragte ich, als wir vor der Tür standen.
    Geir stellte sich auf die Zehen und drückte auf den Klingelknopf. Mein Herz bebte. Es vergingen ein paar Sekunden. Dann öffnete ihre Mutter die Tür.
    »Ist Anne Lisbet zu Hause?«, erkundigte ich mich.
    »Ja«, sagte sie.
    »Wir gehen mit ihr in eine Klasse«, erläuterte Geir. »Wir wollen ihr nur sagen, was wir aufhaben.«
    »Das ist aber nett von euch«, sagte sie. »Möchtet ihr hereinkommen?«
    Sie hatte blonde Haare und blaue Augen, sah ganz anders aus als Anne Lisbet, war aber auch hübsch.
    »Anne Lisbet!«, rief sie. »Du hast Besuch von zwei Klassenkameraden!«
    »Ich komme!«, rief Anne Lisbet von oben.
    »Ist sie denn nicht krank?«, fragte

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