Spielen: Roman (German Edition)
ich.
Ihre Mutter schüttelte den Kopf.
»Nicht mehr. Wir haben sie nur sicherheitshalber noch einen Tag zu Hause behalten.«
»Aha«, sagte ich. Auf der Treppe waren Schritte zu hören, und Anne Lisbet tauchte auf. Sie hielt eine Scheibe Brot in der Hand und lächelte uns mit vollem Mund an.
»Hallo!«, sagte sie.
»Wir dachten, du wärst krank«, erwiderte ich.
»Wir wollten dir sagen, was wir aufhaben«, ergänzte Geir.
Sie trug einen weißen Rollkragenpullover mit einem Muster in Rot und eine blaue Hose. Auf der Oberlippe hatte sie einen Milchbart.
»Habt ihr vielleicht Lust, mit rauszugehen und zu spielen?«, fragte sie. »Ich bin den ganzen Tag drinnen gewesen. Gestern auch!«
»Warum nicht«, antwortete ich. »Was meinst du, Geir?«
»Sicher«, sagte Geir.
Sie zog ihre weißen Stiefel und die rote Regenjacke an. Ihre Mutter ging die Treppe hoch.
»Tschüss, Mama!«, rief sie und lief hinaus. Wir rannten ihr hinterher.
»Was sollen wir machen?«, fragte sie. Sie war stehen geblieben, wo die Kiesdecke endete, und hatte sich abrupt zu uns umgedreht. »Wollen wir zu Solveig gehen?«
Das taten wir. Solveig kam heraus, Anne Lisbet schlug vor, Gummitwist zu spielen, und dann standen wir da, Geir und ich, mit einem Gummiband um unsere Beine, während Solveig und Anne Lisbet hin und her hüpften und tanzten und dabei den komplizierten Mustern folgten, die sie so perfekt beherrschten. Als ich an der Reihe war, zeigte Anne Lisbet mir, was ich tun sollte. Sie legte ihre Hand auf meine Schulter, und mir lief ein Schauer über den Rücken. Ihre dunklen Augen leuchteten. Als ich es nicht richtig hinbekam, lachte sie laut, und, oh, ich roch den Duft ihrer Haare, die knapp an meinem Gesicht vorbeistrichen.
Es war fantastisch. Alles war fantastisch. Über uns zog sich der Himmel zu, in das Grau mischte sich ein blauschwarzer Ton, der wie eine Wand über dem Wald stand, und unmittelbar darauf begann es zu regnen. Wir zogen die Kapuzen unserer Regenjacken auf und sprangen weiter. Die Tropfen schlugen gegen die Kapuzen und liefen über unsere Gesichter, der Kies knirschte unter unseren Füßen, und plötzlich ging das Licht in der Laterne an der Spitze des Pfahls an, der am Ende des Wendeplatzes stand. Etwas später kam langsam ein Auto die Straße herauf.
»Das ist Papa!«, rief Anne Lisbet.
Das Auto, ein Volvo-Kombi, hielt am Ende der Einfahrt, und ein großer, kräftig gebauter Mann mit schwarzem Bart stieg aus. Er winkte ihr zu, sie lief zu ihm, er beugte sich zu ihr herab und umarmte sie und ging anschließend ins Haus.
»Wir essen jetzt«, sagte sie. »Was haben wir auf?«
Ich sagte es ihr. Sie nickte, verabschiedete sich von uns und verschwand im Haus.
»Ich muss jetzt auch gehen«, erklärte Solveig, die mit ihren traurigen Augen neben uns stand, und rollte das Gummiband zusammen.
»Wir auch«, sagte ich.
Als wir zur Kreuzung hinunterkamen, schlug ich vor, die ganze Strecke bis zum Geschäft zu laufen, was wir auch taten. Dort angekommen meinte Geir, wir könnten den Grevlingveien nach Hause nehmen und danach nicht durch den Wald gehen, sondern der Hauptstraße bis nach Holtet hinunter folgen. Das taten wir. Von dort führte ein Pfad über den kleinen Hügel zur Ringstraße hinauf, der wir dann bis nach Hause folgten. Als wir ein paar Meter auf ihr zurückgelegt hatten, passierte jedoch etwas Seltsames. Der Bus kam die Straße herunter, ich drehte mich unwillkürlich um, und am Fenster, nur einen Meter von mir entfernt, auf gleicher Höhe, saß Yngve!
Was in aller Welt trieb er da? Wollte er etwa in die Stadt? Jetzt? Was wollte er dort?
»Das war Yngve«, sagte ich. »Er saß im Bus.«
»Aha«, erwiderte Geir mäßig interessiert. Wir überquerten den Rasen vor dem Haus, das an der Stelle stand, und gelangten in unsere Straße.
»Das hat richtig Spaß gemacht da oben«, meinte Geir.
»Ja«, sagte ich. »Sollen wir irgendwann wieder zu ihnen hochgehen?«
»Ja«, antwortete Geir. »Aber es ist vielleicht besser, wenn wir keinem davon erzählen. Es sind ja Mädchen.«
»Du hast recht, das sollten wir lieber für uns behalten.«
Von der Kuppe des Hügels aus sah ich, dass Vaters Auto vor unserem Haus stand. Auch Geirs Vater war nach Hause gekommen. Sie waren Lehrer und kehrten deshalb früher von der Arbeit zurück als andere Väter.
Mir fiel der Mülleimer wieder ein, den ich benutzt hatte, um ins Haus zu kommen.
»Wollen wir noch etwas machen?«, fragte ich. »Woanders hingehen? Zum
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