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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Schaukelbaum?«
    Geir schüttelte den Kopf.
    »Es regnet so. Außerdem habe ich Hunger. Ich gehe nach Hause.«
    »Okay«, sagte ich. »Tschüss.«
    »Tschüss«, erwiderte Geir und lief zu seinem Haus. Er knallte die Tür so fest hinter sich zu, dass die Glasscheibe in ihr klirrte. Ich schaute zu Gustavsens Haus hinüber. In der Küche brannte Licht. Waren sie wieder nach Hause gekommen, oder war der Vater allein? Sie hatten eine Garage, so dass man nicht erkennen konnte, ob das Auto da war oder nicht.
    Ich drehte mich um und spähte die Straße hinauf. Mariannes Vater hob den Mülleimerdeckel an und warf eine verknotete Plastiktüte hinein. Er trug eine Strickjacke und war unrasiert. Er sah immer wütend aus, aber ich wusste nicht, ob er es wirklich war, denn ich hatte nie mit ihm geredet oder etwas über ihn gehört. Er war Seemann und große Teile des Jahres nicht zu Hause. Wenn er zurückkehrte, war er dafür die ganze Zeit daheim.
    Er schloss die Tür hinter sich, ohne mich zu bemerken.
    Von der Kreuzung kommend näherte sich ein mächtiger gelber Lastwagen mit Steinen auf der Ladefläche. Als er an mir vorbeifuhr, bebte die Erde leicht. Aus einem Auspuffrohr vorne stieg dichter Qualm auf.
    Yngve hatte mir einmal ein Foto vom größten Fahrzeug der Welt gezeigt. Es war in einem Buch über das Apollo-Programm, das er sich in der Bücherei ausgeliehen hatte. Alles an ihm war am größten in der Welt. Es war eine Spezialanfertigung, um die Rakete die wenigen Kilometer bis zur Abschussrampe zu transportieren. Dies geschah jedoch so langsam, wie das Fahrzeug groß war, es bewegte sich im Schneckentempo, erzählte Yngve.
    Am faszinierendsten war trotz allem der Start selbst. Von den Bildern, die ihn zeigten, konnte ich nie genug bekommen. Einmal hatte ich ihn auch im Fernsehen gesehen. Man hätte vielleicht erwartet, dass die Rakete in einem irren Tempo von der Rampe aufstieg, aber so war es gar nicht, im Gegenteil, auf den ersten Metern hob sie ziemlich langsam ab; das Feuer und der Rauch, die aus ihr herausschossen, legten sich wie eine Art Kissen unter sie, auf dem sie kurz zu ruhen schien, ehe sie sachte, fast ein wenig taumelnd, und mit einem ohrenbetäubenden Donnern, das kilometerweit zu hören war, aufstieg. Und dann flog sie immer schneller, bis die Geschwindigkeit genauso irre war, wie man es sich vorgestellt hatte, und schoss wie ein Pfeil oder Blitz über den kristallblauen Himmel.
    Manchmal stellte ich mir vor, eine Rakete sollte aus unserem Wald abgeschossen werden. Hinter einem Berg verborgen würde sie heimlich gebaut werden, und eines Tages würden wir dann sehen, wie sie langsam aufstieg, langsam hinter den Bäumen dort unten auftauchte, weiß und rein vor allem Grün und Grau, mit einer Wolke aus Feuer und Rauch unter sich, von der sie sich dann löste, um anschließend für einen Augenblick fast über den Wipfeln zu hängen, ehe sie Fahrt aufnahm und immer schneller in den Himmel stieg, während das Dröhnen der riesigen Motoren zwischen den Häuserwänden widerhallte.
    Das war ein guter Gedanke.
    Ich trabte zum Haus, ging über den Kies zur Tür, öffnete sie und zog mir die Schuhe auf der Türmatte aus, als Vater aus seinem Arbeitszimmer in den Flur kam.
    Ich blickte schnell zu ihm auf.
    Er sah nicht besonders wütend aus.
    »Wo bist du gewesen?«, wollte er wissen.
    »Ich habe mit Geir gespielt«, antwortete ich.
    »Danach habe ich dich nicht gefragt«, erwiderte er. » Wo bist du gewesen?«
    »Wir waren beim B-Max«, sagte ich. »Dahinter.«
    »So, so«, meinte er. »Und was habt ihr da gemacht?«
    »Nichts Besonderes«, sagte ich. »Gespielt.«
    »Du musst noch einmal da hoch«, sagte er. »Wir brauchen Kartoffeln. Was meinst du, bekommst du es hin, welche zu kaufen?«
    »Ja«, antwortete ich.
    Er holte sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche und zog einen Geldschein heraus.
    »Zeig mir mal deine Taschen«, sagte er.
    Ich richtete mich auf und schob die Hüften vor.
    Er reichte mir den Geldschein.
    »Den steckst du dir in die Tasche«, wies er mich an. »Beeil dich.«
    »Ja«, sagte ich. Er kehrte in sein Arbeitszimmer zurück, ich zog die Stiefel wieder an, schloss behutsam die Tür hinter mir und lief ein weiteres Mal die Straße hinauf.
    Yngve kam nur wenige Minuten vor dem Essen nach Hause und schaffte es gerade noch, kurz auf sein Zimmer zu gehen, ehe Vater uns zurief, das Essen sei fertig. Er hatte Koteletts und Zwiebeln gebraten und Blumenkohl und Kartoffeln gekocht. Mutter erzählte,

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