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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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eher selten, kam auch Vater zu uns herauf. Meistens kehrte er jedoch ziemlich schnell wieder in sein Arbeitszimmer zurück.
    Die Hausaufgaben erledigte ich in Windeseile, die Buchstaben beherrschte ich, so dass ich nur eine ausreichende Zahl von ihnen schreiben musste und anschließend auch in die Küche gehen konnte. Im leeren Backofen brannte Licht. Yngve stand mit hochgekrempelten Ärmeln und einer Schürze vor der Brust an der Arbeitsfläche und rührte mit einem Kochlöffel in einer Schüssel. Mutter strickte.
    »Bist du bald fertig?«, fragte ich sie und setzte mich auf meinen Platz.
    »In ein oder zwei Tagen«, antwortete sie und zog an dem Wollfaden, als säße sie angelnd in einem Boot. »Es hängt davon ab, wie oft ich zum Stricken komme.«
    »Geir und ich waren heute oben bei Anne Lisbet und Solveig«, erzählte ich.
    »Aha?«, sagte Mutter. »Wer sind die beiden? Gehen sie in eure Klasse?«
    Ich nickte.
    »Hast du jetzt angefangen, mit Mädchen zu spielen?«, fragte Yngve.
    »Ja?«, erwiderte ich.
    »Bist du etwa verliebt?«
    Zögernd sah ich erst Mutter und danach Yngve an.
    »Ich glaube schon«, antwortete ich.
    Yngve lachte.
    »Du bist erst sieben! Da kannst du noch nicht verliebt sein!«
    »Darüber darfst du nicht lachen, Yngve«, wies Mutter ihn zurecht.
    Yngve wurde rot und starrte in die Schüssel vor sich.
    »Gefühle sind Gefühle, ob man nun sieben oder siebzig ist. Sie sind immer gleich wichtig, verstehst du.«
    Es entstand eine Pause.
    »Aber dabei kann doch nichts herauskommen!«, sagte Yngve.
    »Da magst du recht haben«, entgegnete Mutter. »Aber man darf doch trotzdem etwas für einen anderen Menschen empfinden?«
    »Du warst doch in Anne verliebt«, warf ich ein.
    »War ich nicht«, widersprach er.
    »Hast du aber gesagt.«
    »Jetzt ist es gut«, entschied Mutter. »Was macht dein Teig, ist er bald fertig?«
    »Ich denke schon«, sagte Yngve.
    »Darf ich mal sehen?«, fragte Mutter, legte ihr Strickzeug in den Korb zu ihren Füßen und stand auf.
    »Magst du das Backblech einfetten, Karl Ove?«
    Sie stellte mir die kleine Kasserolle hin, reichte mir einen Pinsel und zog das Backblech aus der Schublade unter dem Backofen. Die Butter hatte gekocht, das sah man an ihrer Farbe; im Dünnen, Gelben gab es mehrere kleine Buchten und einzelne große Lagunen aus Hellbraunem. Erwärmte man sie langsam, wurden die Farben satter und reiner. Ich tauchte den Pinsel ein und strich mit ihm über die Platte. Die langsam erwärmte Butter ließ den Pinsel häufig stocken, so dass man eher ziehen musste, als zu pinseln, während man mit der bräunlichen und dünnen das Blech leichter einfetten konnte. Zehn Sekunden dauerte es, dann war ich fertig. Ich setzte mich wieder, und Yngve begann, die Scones zu formen. Unten wurde die Tür geöffnet. Im nächsten Moment hörten wir Vaters schwere Schritte auf der Treppe. Ich richtete mich auf meinem Stuhl auf. Mutter setzte sich wieder, legte das Strickzeug in ihren Schoß und blickte zum Türrahmen auf, als Vater darin stehen blieb.
    »Hier ist ja ganz schön was los«, sagte er, steckte die Daumen in die Gürtelschlaufen und zog seine Hose hoch. »Heißt das, es gibt bald etwas zu essen?«
    »In einer Viertelstunde«, antwortete Mutter.
    »Sind das Scones, was du da backst, Yngve?«, erkundigte er sich.
    Yngve nickte nur, ohne von seiner Arbeit aufzuschauen.
    »Ja, ja«, sagte Vater. Er drehte sich um und ging ins Wohnzimmer. Unter seinen Schritten knarrte der Fußboden leise. Er blieb vor dem Fernseher stehen, schaltete ihn ein und setzte sich in den braunen Ledersessel.
    Diese Stimme kannte ich. Es war der Moderator des Gesundheitsmagazins. Sie war ein bisschen heiser, fast rostig und entsprang einem Gesicht, das immer zurückgelehnt lag, als spräche es zur Decke, während seine Augen beständig nach unten blickten, es war, als wollte er seine Stimme so an die richtige Stelle dirigieren.
    Ich stand auf und ging ins Wohnzimmer.
    Auf dem Bildschirm sah man zwischen blauem Stoff eine Öffnung aus Haut und Blut und Fleisch.
    »Ist das eine Operation?«, fragte ich.
    »Allerdings«, antwortete Vater.
    »Darf ich mitgucken?«
    »Ja, das kann ja nicht so schlimm sein.«
    Ich setzte mich ganz außen auf die Couch. Man sah direkt in den Körper hinein. Es sah aus, als gäbe es einen Schacht, der in ihn hinabführte, offen gehalten von mehreren Metallklammern, mit Schichten aus Fleisch, aus denen das Blut ge rade erst geflossen zu sein schien, und einem glänzenden,

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