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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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ich eine grün gestrichene Baracke und einen gelben Generator. Er brummte dumpf.
    Dann fing plötzlich jemand an zu bohren. Ich konnte ihn nicht sehen, aber das Geräusch, knatternd und monoton, bei dem der spröde, fast singende Klang von Metall gegen Stein es wie ein Schleier überlagerte, war unverkennbar, ich kannte ihn in- und auswendig.
    Ich drehte mich wieder um und sah, dass Geir im Takt des Seils mit dem Kopf nickte, um den Rhythmus zu verinner lichen, ehe er selbst wieder hineinlaufen würde. Diesmal schaffte er es jedoch nicht, sein Fuß war praktisch sofort im Weg, und als die beiden seilschwingenden Mädchen ihre monotone Tätigkeit wiederaufnahmen, trottete er zu mir. Hinter ihm glitt Anne Lisbet hinein. Aber sie hatte kaum ihre Position eingenommen, als das Seil auch schon ihren Arm traf. Es sah fast so aus, als hätte sie es absichtlich getan.
    »Kommst du mit, Solveig?«, fragte sie.
    Solveig nickte und verließ die Schlange der Wartenden. Die beiden kamen zu uns.
    »Was sollen wir machen?«, fragte Anne Lisbet.
    »Wollen wir vielleicht nach Flaschen suchen?«, schlug ich vor.
    »Au ja, das machen wir!«, sagte Geir.
    »Und wo? Wo gibt es Flaschen?«, fragte Anne Lisbet.
    »An der großen Straße«, antwortete Geir. »Und im Wald hinter dem Spielplatz. Rund um die Baracken. Manchmal auch an der Badestelle. Aber im Herbst eher nicht.«
    »An der Bushaltestelle«, ergänzte ich, »und unter der Brücke.«
    »Einmal haben wir eine ganze Tüte voller Flaschen gefunden«, erzählte Geir. »Im Straßengraben am Supermarkt. Vier Kronen Pfand haben wir dafür bekommen!«
    Solveig und Anne Lisbet sahen ihn beeindruckt an. Aber das mit den Flaschen war doch meine Idee gewesen! Das war mein Vorschlag gewesen, nicht Geirs!
    Unwillkürlich hatten wir uns in Bewegung gesetzt und gingen die Straße hinunter. Der Himmel war grau wie tro ckener Zement. Kein Windhauch bewegte die Bäume, alles stand vollkommen still und brütete in sich gekehrt vor sich hin. Oder nein, die Kiefern nicht, sie waren so offen und frei und dem Himmel zugewandt wie sonst auch. Sie standen eher da wie in einer Pause. Es waren die Fichten, die sich von ihrer eigenen Dunkelheit verschluckt nach innen gekehrt hatten. Die Laubbäume mit ihren dünnen Stämmen und abgespreizten Ästen waren ängstlich und aufmerksam. Die alten Eichen, von denen eine Reihe an dem Hang auf der anderen Seite der Straße wuchs, in deren Richtung wir uns nun bewegten, waren nicht furchtsam, nur einsam. Aber sie ertrugen diese Einsamkeit, hatten so viele Jahre dort gestanden und würden noch so viele Jahre dort stehen.
    »Dahinten gibt es eine Röhre, die unter der ganzen Straße hindurchführt«, sagte Anne Lisbet und zeigte auf die Böschung unterhalb der Straße. Sie war von schwarzer Erde bedeckt, die man offenbar erst kürzlich verteilt hatte, denn es sprossen noch keine Pflanzen aus ihr.
    Wir gingen hinunter. Es stimmte: Unter der Straße führte eine Röhre aus Beton hindurch, die einen Durchmesser von etwas mehr als einem halben Meter hatte.
    »Seid ihr da schon einmal durchgekrochen?«, fragte ich.
    Sie schüttelten den Kopf.
    »Sollen wir das machen?«, fragte Geir. Er stand vorgebeugt und blickte in die Dunkelheit hinein.
    »Und was ist, wenn wir stecken bleiben«, gab Solveig zu bedenken.
    » Wir machen es«, sagte ich. »Ihr könnt auf die andere Seite gehen und auf uns warten.«
    »Traut ihr euch das?«, fragte Anne Lisbet.
    »Na klar«, antwortete Geir. Er sah mich an. »Wer zuerst?«
    »Du«, sagte ich.
    »Okay«, meinte er, bückte sich und schob den Oberkörper in die Öffnung. Es war offensichtlich zu eng zum Krabbeln, aber nicht so eng, dass man robben musste. Nach einigen Sekunden des Drehens und Schlägelns war sein ganzer Körper verschwunden. Ich sah Anne Lisbet an, beugte mich vor und steckte den Kopf in die Röhre. Der Geruch von etwas Rohem, Stockfleckigem stieg mir in die Nase. Ich legte die Ellbogen auf die Steinfläche und zog den restlichen Körper in einer raupenartigen Bewegung nach. Als mein ganzer Körper in der Röhre steckte, richtete ich mich so weit wie möglich auf und schob mich mit Unterarmen, Knien und Füßen auf dem Zement in die Dunkelheit hinein. Auf den ersten Metern sah ich Geir noch als einen Schatten vor mir, aber dann wurde die Dunkelheit zu kompakt, und er verschwand.
    »Bist du da?«, rief ich.
    »Ja«, antwortete er.
    »Hast du Angst?«
    »Ein bisschen. Und du?«
    »Ja, ein bisschen.«
    Plötzlich erzitterte

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