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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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zusammen und sah mich nicht an, als ich in ihre Richtung schaute.
    Ihre Steppjacke hatte wirklich eine unglaublich schöne Farbe.
    So eine wollte ich auch haben.
    Als wir in die Schule kamen und alle ihre Ranzen im Aufstellfeld abgesetzt hatten, überredete ich Geir, den beiden die Mützen zu klauen. Er sollte sich Solveigs schnappen, ich mir Anne Lisbets. Sie kehrte mir den Rücken zu, und als ich ihr die Mütze vom Kopf riss, drehte sie sich kieksend um. Ich wartete, bis ihr Blick meinem begegnete, dann lief ich weg, nicht sonderlich schnell, damit sie mich einholen konnte, aber auch nicht zu langsam, damit die anderen nicht sahen, dass ich auf sie wartete.
    Direkt hinter mir hörte ich ihre Schritte auf dem Asphalt.
    Und dann schlug sie ihre Arme um mich!
    Oh! Oh! Oh!
    Ihre wunderbar dicke Steppjacke presste sich an mich, sie lächelte und rief Gib her, gib her , und ich konnte den Augenblick einfach nicht länger hinauszögern, indem ich die Mütze hochhielt, meine Freude war zu groß, ich gab sie ihr sofort, stand ganz still und beobachtete, wie sie ihre Mütze wieder aufzog und davonging.
    Dann drehte sie sich um und lächelte mich an!
    Und ihre Augen, oh, ihre Augen, die so schwarz und schön waren, sie leuchteten!
    Ich hatte das Gefühl, in eine Zone aus etwas Hellem und Glänzendem einzutreten, gegen die alles außerhalb verblasste und seine Bedeutung verlor. Es klingelte, wir marschierten die Treppe hoch und durch den Flur, setzten uns an unsere Pulte, holten die Bücher heraus. Und ich tat, was wir tun sollten, hörte zu, wenn wir zuhören sollten, redete wie immer munter drauflos, zeichnete meine versunkenen Schiffwracks und schwimmenden Froschmänner, aß meine Brote und trank meine Milch, spielte in den Pausen Fußball, saß neben Geir und sang auf der Heimfahrt im Bus, lief mitten in der Gruppe, mit meinem schlenkernden Ranzen auf dem Rücken den letzten Hügel hinunter, mit Körper und Seele stets präsent, aber gleichzeitig auch nicht, denn in meinem Inneren gab es plötzlich einen neuen Himmel, unter dessen Gewölbe mir selbst die vertrautesten Gedanken und Tätigkeiten neu erschienen.
    Als wir an jenem Tag zu Anne Lisbet hinaufkamen, stand sie in einer Gruppe von Kindern auf dem Wendeplatz vor dem Haus. Zwei von ihnen schwangen mechanisch ein Seil zwischen sich, das auf die Erde knallte wie eine Peitsche, und ein Kind nach dem anderen schob sich hinein, stand da und sprang ein paar Mal, bevor es sich wieder hinausschob und der Nächste an der Reihe war. Sie hatte dieselbe Mütze und denselben Schal wie zuvor an und lächelte uns an, als wir vor ihr stehen blieben.
    »Macht mit!«, forderte sie uns auf.
    Wir stellten uns in die Reihe. Ich wollte sie so gerne beeindrucken und mühelos in die zitternde Trommel gleiten, die das Seil zeichnete, schaffte aber bloß zwei Sprünge, ehe es gegen mein Bein schlug und ich draußen war. Geir, dessen Körperbeherrschung nicht die beste war, seine Arme und Beine flogen häufig unkontrolliert durch die Luft, kam dagegen erstaunlich gut zurecht. Sprung, Sprung, Sprung, Sprung, Sprung – nach dem letzten warf er sich mit solchem Schwung und solcher Verbissenheit hinaus, dass er sich mit ein paar schnellen Schritten auffangen musste, um nicht zu stolpern, und an einen Läufer erinnerte, der sich dem Zielband entgegenwirft.
    Jetzt würde sie glauben, dass Geir besser war als ich.
    Die Düsternis dieses Gedankens verschwand im nächsten Moment, denn nun war sie an der Reihe. Sie lief in das Seil und tanzte darin absolut virtuos, verlagerte das Körpergewicht mal auf das eine, mal auf das andere Bein und starrte dabei vor sich hin, als hätte der Kopf nichts mit dem zu tun, was der Körper tat. Aber als sie hinaussprang und sich nicht mehr konzentrieren musste, war ich es, den sie ansah und anlächelte. Hast du das gesehen! , sagte ihr Lächeln. Hast du mich gerade gesehen!
    Das Wasser, das um uns herum in den größten Pfützen auf dem Wendeplatz stand, war fast gelb. In den kleineren Pfützen war es graugrün, fast wie der Kies ringsum, jedoch ein wenig heller. Und natürlich glänzender. Aus dem Wald unter uns drangen das Rauschen eines Bachs und das dumpfe Brummen einer Maschine. Ich war vorher noch nie dort gewesen und ging zum Rand, um hinunterzuschauen. Von dem Haus weiter oben, das am Waldrand lag, fiel eine breite und recht steile Geröllhalde ab. An ihrem Fuß lag ein gelbes Sumpfgebiet. Dahinter standen dicht gedrängt Kiefern. Zwischen ihren Stämmen sah

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