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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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einer Sekunde begriff.
    Da Rachels Amygdala immer noch zwei Gedächtnisspuren aufzeichnete, erschien dieses Ereignis, wie alles, was sich zugetragen hatte, nachdem der Ölpreis auf zweihundertfünfzig Dollar gestiegen war, in Zeitlupe.
    Eine zweite Blutfontäne schoss mitten aus Warrens Brust, und noch bevor er am Boden aufschlug, war klar, dass er tot war.
    Die Zeit stand still. Karen schrie auf. Die Sonne wirkte plötzlich um ein Vielfaches zu hell. Rick stieß die Wageninsassen mit einer Armbewegung zu Boden: »Alle runter!«
    Rachel reagierte auf die Gewalt mit dem Fugue-Zustand, in den ihr Gehirn immer dann umschaltete, wenn es überfordert war; wenn sie bei Feueralarm in der Schule in diesen Zustand geraten war, hatten die gemeineren Jungs aus ihrer Klasse immer gehöhnt: »Rachel ist in ihrem Wohlfühlort!« Rachel findet, dass ihr Wohlfühlort sehr viel für sich hat, und wenn die Schläger und Zänker gewusst hätten, wie es dort aussah, hätten sie sie nicht nur in Ruhe gelassen, sondern sie sogar noch um die Wegbeschreibung angebettelt. Wenn Rachel dort hingeht, ist es, als säße sie in einem lauten und überfüllten Restaurant, und plötzlich wird die Musik abgestellt und alle gehen. Es herrscht Ruhe. Sie kann objektiv sein. Sie kann analysieren. Sie fühlt sich dort frei und stark – es ist, als wäre sie plötzlich im Besitz der Suchergebnisse für alle Begriffe, die je bei Google eingegeben wurden.Sie kehrt ruhig und unbekümmert von ihrem Wohlfühlort zurück, als hätte ihr Gehirn dort ein Sandwich mit Hühnchenbrust und ein Glas Milch bekommen.
    Während sie mit Rick, Karen und Luke im Pick-up saß, war Rachel an ihrem Wohlfühlort und dachte an das, was ihr Mathematiklehrer einmal der Klasse erklärt hatte: »Wenn ihr mal all die Koinzidenzen zusammenzählt, die hätten auftreten können, aber es nicht taten, werdet ihr das Universum mit anderen Augen sehen. Jeden einzelnen Moment hätten sich Trillionen von Sextillionen Koinzidenzen in eurem Alltag ereignen können, aber wenn ihr überlegt, kam es nie dazu. Zufälle sind so selten, dass es bemerkenswert ist, wenn sie sich denn tatsächlich einmal ereignen. Ja, Zufälle kommen so selten vor, dass es beinahe scheint, als wäre das Universum extra dazu konstruiert, sie auf einem absoluten Minimum zu halten. Wenn sich also in eurem Leben ein Zufall oder irgendetwas Außergewöhnliches ereignet, dann hat sich etwas oder jemand verdammt ins Zeug gelegt, das möglich zu machen – und darum müssen wir ihnen immer unsere Beachtung schenken.«
    Rachel sieht es genau umgekehrt: Sie ist der Überzeugung, dass jeder Moment des Lebens ein Zufall ist. Er bedeutet alles oder nichts.
    Der Lehrer hatte auch noch gesagt: »Das Gegenteil von Zufall heißt Entropie. Entropie ist Faulheit. Entropie heißt, dass Energie ins Nichts verpufft. Entropie heißt, dass das Universum an der Stechuhr schummelt. Entropie will, dass du platte Reifen am Auto hast, dass dein Kuchen zusammenfällt, sie will, dass deine Software abstürzt. Sie wünscht dir Böses. Also denkt daran, haltet euch immer in der Mitte zwischen Zufall und Entropie und euch kann nichts passieren … Glaubt mir, ein Tag, an dem nichts Schlimmes geschieht, ist ein Wunder – es ist ein Tag, an dem all die Dinge, die hätten schiefgehen können, es versäumt haben schiefzugehen. Jeder öde Tag ist ein Triumph des menschlichen Geistes. Langeweile ist ein noch nie dagewesener Luxus in der Geschichte unserer Spezies.«
    In diesem Moment verließ Rachel den Wohlfühlort und blickte hinüber zu Warrens Leichnam. Karen schrie immer noch, aber Luke verhinderte, dass sie aus dem Wagen sprang. Rachel versuchte zu ergründen, ob Warrens Tod ein Zufall war oder ob es eine ursächliche Verbindung zu dem Feuerball in fünf Kilometern Entfernung gab. Terroristen? Pfusch in einem Erdöl-Depot? Anarchisten?
    Rick brüllte derweil weiter alle an, ja den Kopf unten zu behalten, um Scharfschützen kein Ziel zu bieten. Er sagte: »Ich werde den Wagen starten, und wir hauen auf der Stelle hier ab.« Doch als er den Schlüssel drehte, machte der Motor nur ein grässliches Ich-werde-nicht-anspringen-Geräusch. »Scheiße, Pam hat recht, ich bin bloß ein blöder genetischer Irrtum. Ich verdiene wirklich alles, was mir zustößt. Ich bin ein schlechter, schlechter Mensch.« Er brach ab. »Hat sonst noch jemand hier ein Auto?«
    Fehlanzeige.
    »Womit ist Warren gekommen?«
    »Mit einem Pick-up, glaub ich«, sagte Karen unter

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