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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Hirnrinde ausgebildet, und sie hatten die Herrschaft über die Erde an sich gerissen. Man weiß ja nie. Luke würde es jedenfalls nie erfahren, denn er wäre ja tot und hätte längst alle bekannten Zeitstränge verlassen.
    Natürlich konnte man nicht mit Sicherheit sagen, ob die Bewohner der ewigen Seligkeit gelegentlich mal einen Blick in ihre frühere Lebenswelt werfen durften. Luke hatte sich ohnehin immer gefragt, was ihnen das überhaupt bringen sollte – damit sie sich ins Fäustchen lachen konnten? Um vorher Wetten abzuschließen? Um die neueste Star-Wars- Episode zu sehen? Ganz gleich, wie er es betrachtete, irgendwie wirkte es doch kleinkariert, vonseiten der Seligen zurückzuschauen. Nein, wenn man einmal hinüber war, würde man nie mehr erfahren, wer die World Series gewonnen hatte, wer was bei der Oscar-Verleihung getragen hat oder ob deine Kinder später ein Heilmittel gegen Krebs finden oder weibliche Schülerlotsen ermorden. Luke ist gerade im Begriff, eine neue Runde zu bestellen, da betritt Leslie Freemont das Gebäude.
    Rachel wandte sich um, um Leslie Freemont zu betrachten. »Den kenne ich doch aus dem Fernsehen.«
    »Das ist dieser Betrüger – Freeman … Freemont – was zum Teufel will der denn hier?«
    »Dass er im Fernsehen ist, müsste ihn doch zu einem guten Genspender machen, oder? Und er sieht gebräunt aus. Er muss ein sportlicher Outdoortyp sein.«
    Luke war überrascht, wie sehr es ihn ärgerte, dass Leslie Freemont zu einer Bedrohung für sein potenzielles Sexabenteuer mit Rachel geworden war. »Sonnenbräune? Das ist Sonnenbank, glauben Sie’s mir. Und dieser Fernsehkram? Das sind doch bloß Infomercials für so einen esoterischen Selbsthilfequatsch.«
    »Er macht einen virilen und selbstbewussten Eindruck.«
    »Der ist der totale Blender.«
    Aber natürlich sahen sie weiter zu, wie Leslie den Westteil der Theke für sich einnahm. Sie stießen sogar mit dem Mann an. Und dann, nach einem ultrakurzen Besuch, gekrönt von einem Quickie-Schnappschuss, waren Leslie und seine Assistentin auch schon wieder weg.

RACHEL
    Rachel versucht sich Klarheit zu verschaffen, ob Luke als Vater ihres Kindes in Frage käme – ein Mann mit einem Haufen Geld in der Tasche, der noch bis vor kurzem religiös gewesen war. Religiosität erscheint Rachel als reproduktionsneutral, aber Luke sagt, er habe einmal die Vision eines Raumschiffs gehabt, das himmelwärts flog – vielleicht ist er ein Poet. Neurotypische Menschen sind ein unerschöpflicher Quell der Rätsel. Religion ist eines der größten davon.
    Wie dem auch sei, als das Barrel Rohöl die zweihundertfünfzig Dollar-Marke erreicht, erfasst Rachels Gehirn eine Bedrohung für ihren Körper und veranlasst ihren Mandelkern, ihre Cocktaillounge-Erfahrungen zweifach abzuspeichern, damit sie später die Möglichkeit hat, Informationen abzurufen, die ihr helfen, sich in ähnlichen Situationen zu schützen. Da ihr Gehirn eine Sicherungskopie angelegt hat, wird der Eindruck entstehen, dass sich alles in Zeitlupe abspielt. Die Verdopplung neuraler Informationen simuliert die Dehnung der Zeit, und da Rachel anders ist als andere, sind die doppelten Aufzeichnungen solcher intensiven Momente bei ihr sehr viel länger als bei neurotypischen Menschen. Daher wird Rachel später in der Lage sein, zu Ankunft und Weggang von Leslie Freemont und seiner Assistentin Tara zurückzuspulen.
    Rachel ist dankbar für Leslies Kakaobutterteint zu dem weißen Anzug und dem weißen Haar, da es markante gesichtsunabhängige Unterscheidungsmerkmale sind, an denen sie ihn wiedererkennen kann, ohne auf Augen, Ohren und Mund rekurrieren zu müssen. Ihr ist schleierhaft, wie sich der Rest der Welt auseinanderhalten kann. Wäre es denn so schlimm, wenn alle Namensschildchen trügen? Eswäre kein großer Aufwand und nicht teuer – und trotzdem besteht keinerlei Nachfrage danach.
    Zu Rachels Erleichterung gibt auch niemand in der Cocktaillounge Lachlaute von sich, als sie erwähnt, dass sie beruflich weiße Mäuse züchtet. Diese Lachlaute hat sie in der Highschool damals ausreichend zu hören bekommen, als sie ihr Kleinunternehmen startete. Schüler, an denen sie vorbeiging, hatten immer »fiep – fiep« gemacht, eine schlechte Imitation der Laute von weißen Mäusen, wenn man da überhaupt von »Laut« reden kann. Die Lachlaute bedeuten normalerweise, dass ihr Tag noch um dieses kleine bisschen stressiger wird.
    Sobald Leslie fort ist, scharen sich die fünf Verbliebenen auf der

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