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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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haben die Outlet-Mall angezündet! Den Rauch kann man wahrscheinlich vom Weltall aus sehen. Hier herrscht totale Anarchie.«
    »Casey, bist du jetzt zu Hause?«
    »Bin ich. Aber ich wünschte, ich wäre da draußen und könnte den ganzen Irrsinn beobachten.«
    »Hast du die Polizei erreicht?«
    »Ich versuche es die ganze Zeit. Aber ich komme einfach nicht durch.«
    »Bleib zu Hause, Casey. Ich möchte nicht, dass du irgendwohin gehst. Kannst du deinen Vater erreichen?«
    »Ich komm nicht zu ihm durch.«
    Die Verbindung brach ab.
    Rick versuchte, seinen Sohn zu erreichen, hatte aber weder auf Karens BlackBerry noch auf dem Handy aus der Fundsachenkiste ein Freizeichen. Die vier saßen schweigend da.

LUKE
    Vor drei Jahren war die früh ausgebrochene Alzheimererkrankung von Lukes Vater so dramatisch geworden, dass er nicht länger zu Hause leben konnte – sein unversöhnlicher Vater, der einmal bei einem gemeinsamen Strandspaziergang zu Luke gesagt hatte: »Ich werfe keinen Schatten, Junge, ich werfe Licht«; sein harter, unversöhnlicher Vater Caleb, der Luke einmal gesagt hatte, das Gegenteil von Arbeit sei nicht Muße, sondern Diebstahl.
    Caleb hatte Luke immer behandelt, als bestünde keinerlei Zweifel daran, dass dieser in seine Fußstapfen treten würde, ihn aber gleichzeitig permanent spüren lassen, dass er, Luke, niemals dieselbe spirituelle Ebene erreichen würde wie sein Vater. Wie bei den meisten Egofehden zwischen Vater und Sohn konnte es sehr hässlich oder auch absurd zwischen ihnen werden. Als Luke neun war, war Caleb einige Male in Lukes Kinderzimmer gekommen und hatte ihn beim Spielen mit Plastiksoldaten ertappt. Daraufhin hatte er das schnurlose Telefon geholt, sich auf Lukes Bett gesetzt und gesagt: »Schön, sollen deine Soldaten sich ruhig umbringen, aber jedes Mal, wenn einer von ihnen stirbt, werde ich hier sitzen und seine Mutter anrufen.«
    »Vater, das sind Plastiksoldaten.«
    »Für dich, aber nicht für dein besseres Ich .«
    »Okay. Ruf ihre Mütter an.«
    »Okay, das mache ich. Die von dem da, der gerade umgefallen ist …« Lukes Vater tippte sieben Ziffern ein, und obwohl Luke ein Besetztzeichen hörte, sagte sein Vater: »Guten Tag, Mrs. Miller. Hier ist Pastor French. Ich fürchte, ich habe schlimme Nachrichten für Sie, Mrs. Miller: Ihr Sohn ist tot. Nein, es ist keine Verwechslung. Erist heute im Kampf gefallen. Welcher Kampf? Keine Ahnung, wenn Sie das wissen wollen, müssen Sie mit der Person reden, die ich einmal für meinen Sohn gehalten habe. Tut mir sehr leid, Mrs. Miller. Bitte schreien und weinen Sie doch nicht so. Ja, ich bin absolut sicher, dass er tot ist. Und mein Sohn ist sein Mörder.«
    Dieser Kampf hatte erst geendet, nachdem die Alzheimererkrankung zuschlug, und das so unerwartet und schnell. Lukes überforderte Mutter hatte eine Pflegeeinrichtung an der Westküste ausfindig gemacht, die sich auf Patienten aus dem Priesterstand spezialisiert hatte. Sie kutschierte ihn gerade im Auto quer durchs Land, als ein Erdrutsch in British Columbia ihr Auto und mehrere andere verschluckte und unter so viel Gestein und Erdreich begrub, dass ein Ausgraben unmöglich war. Seit damals musste Luke mit dem Wissen leben, dass diese fleischbedeckten Skelette in ihren VW s, Cutlasses oder Wohnmobilen noch dort waren und immer dort bleiben würden, haargenau dort, wo sie jetzt waren, für immer gefangen in diesem Berg, bis die Sonne in schätzungsweise einer Milliarde Jahren zur Supernova würde. Diese Leichen verbinden uns mit der Zukunft. Sie sind in der Zeit erstarrt. Morgen = gestern = heute = ein und dasselbe, für immer.
    Und ihr steiniges Grab ist mit einer einfachen Beerdigung auf einem Friedhof kaum zu vergleichen. Knapp zwei Meter Erde sind nichts. In hundert Jahren wird das Plündern unserer Gräber für die Skrupellosen eine ausgezeichnete Einnahmequelle darstellen. Aber im Inneren eines Bergs zu sein – das übersteigt Lukes Fassungsvermögen. Wann endet die Zeit? Wann enden Menschen? Auf seinem Flug von Toronto heute Morgen hatte Luke über die Zeit und die Evolution nachgedacht. Denken wir langfristig, Luke. Wohin entwickeln wir uns? Machen wir einfach immer so weiter, Tag für Tag? Trinken wir Kaffee, legen Golfplätze an, machen Fotokopien und führen Kriege, bis wir alle mutieren und uns in eine neue Spezies verwandeln? Wie lange sollen wir all das noch tun, was wir derzeit tun? Wenn wir nicht bald mutieren, sind wir inzehntausend Jahren noch die gleichen Menschen

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