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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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wie heute, nur dass wir alle Rohstoffe aufgebraucht haben werden. Wird die Erdbevölkerung je abnehmen? Das wird sie wohl müssen, spätestens dann, wenn unsere Sonne zur Supernova wird. Wann also zwischen jetzt und der einen Milliarde Jahre, in denen die Sonne zur Supernova wird, ist es mit der Gesellschaft vorbei? Wann ist es mit Leuten vorbei? Wann beginnt die Bevölkerung zu schrumpfen? Es ist eine mathematische Gewissheit. Also wann dann? Wann? Wann?
    Auch wenn sich sein Glaube kürzlich in Wohlgefallen aufgelöst hat, glaubt Luke doch an die Sünde. Er glaubt, dass die menschliche Fähigkeit, jederzeit alle erdenklichen Sünden zu begehen, das ist, was uns von allen anderen Dingen – wie Spaghetti, Schreibkarton, Tiefseelebewesen, Edelweiß und dem Mount McKinley – unterscheidet. Selbst diejenigen von uns, die versuchen, ein gutes und anständiges Leben zu führen, bleiben dem Stand der Gnade so fern wie der Hillside Strangler oder jeder Unhold, der je versucht hat, einen Dorfbrunnen zu vergiften.
    In Lukes Augen definiert die Sünde unser Leben in einer Weise, die sowohl jämmerlich wie monströs ist. Und Luke weiß, dass Ungeheuer existieren: Wesen in Menschengestalt, aber ohne Seele. Ronnie, der sein Haus in Brand steckte, in dem seine beiden Kinder waren. Lacey, die Zigaretten auf dem Arm ihres Babys ausdrückte. Angesichts dieser Ungeheuer sind magere sieben Todsünden schon beinahe charmant und ganz gewiss nicht auf der Höhe unseres einundzwanzigsten Jahrhunderts. Luke findet, dass die Sündenliste dringend aktualisiert gehört, und führt im Geiste ein Register zeitgenössischer Sünden, die bei den Religionen ruhig mal in die engere Wahl kommen sollten: sträfliche Toleranz gegenüber der Informationsüberflutung; die Vernachlässigung demokratischer Prinzipien; die strikte Weigerung, aus der Geschichte zu lernen; die Gleichsetzung von Konsum mit Kreativität; die Ablehnung kritischen Denkens; der Glaube, ein Spektakel repräsentiere die Wirklichkeit; Prominentenverehrung als Ersatzleben. Und dergleichen mehr, viel mehr.
    Mann , denkt Luke, bin ich ein selbstgerechtes Arschloch. Ich verwandle mich in meinen Vater – ich muss mir mehr Mühe geben, es anders zu machen als er. Vom Glauben abzufallen war längst nicht genug. Aber natürlich hat Luke von seiner Gemeinde auch gelernt, dass man auf dem schnellsten Weg so wird wie seine Eltern, wenn man auf Teufel komm raus anders sein will.
    Luke bemerkt, dass Rick ein Auge auf Rachel geworfen hat und Rachel offenbar auch eines auf Rick. Lukes veruntreute zwanzig Riesen sind in einer Post-Erdöl-Ökonomie höchstwahrscheinlich nichts mehr wert, damit ist sein darwinistischer Vorteil gegenüber Rick dahin. Aber Lukes Überlebenswille ist stärker als alles andere, selbst als der Reproduktionstrieb. Und kurz darauf sieht Luke hoch zu Rick, der auf der Theke steht und das Schutzgitter eines Lüftungsschachts in der Decke aufbricht. Der Plan ist, dass Rick und Luke durch die Schächte kriechen und nach Schutzgittern oder Deckplatten suchen, die sich öffnen lassen, um die Umgebung des Gebäudes zu checken, den oder die Heckenschützen zu lokalisieren und einen sicheren Ausweg aus ihrer Lage zu finden.
    Das Schutzgitter löst sich mit einem trockenen Rumpeln, das an das Geräusch von Erde erinnert, die auf einen Sarg geworfen wird. Rick verstaut das Gitter in dem Hohlraum über der Decke, durch den sie kriechen sollen, und starrt hinein. »Heilige Scheiße. Da ist ja massig viel Platz. Echt. Das ist riesig da drin.«
    »Sprich nicht so laut«, sagt Karen. Karen und Rachel hocken immer noch hinter der Theke auf dem Fußboden.
    »Ich kletter rein. Reich mir die Schrotflinte, sobald ich drin bin.«
    »Sei vorsichtig mit dem Ding!«, rät Karen.
    Rick zieht sich hoch in den Hohlraum. Luke reicht ihm die Schrotflinte und klettert hinterher. Es ist dunkel dort, aber nicht stockfinster. Glutheißes Sonnenlicht dringt durch Lüftungslöcher auf beiden Seiten und durch diverse Röhren und Schächte, die das Dach mit dem Inneren des Gebäudes verbinden.
    Luke sagt: »Pst …«, und legt den Finger auf die Lippen. »Hörst du das?«
    Die beiden Männer sind ganz leise. Über sich auf der östlichen Dachseite hören sie Fußtritte auf dem Kies knirschen.
    »Das ist er«, sagt Luke.
    Luke und Rick krochen durch den Hohlraum, bis sie in der Decke eine Öffnung fanden. Rick schaute hinein, gab Luke ein Okay-Zeichen und richtete sich dann leise in dem mit Lamellen

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