Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
verkleideten Belüftungsaufbau auf. Luke folgte ihm rasch. Durch die Lamellen konnten sie den Heckenschützen sehen. Er stand in Hyper-Habachtstellung an der kniehohen Mauer, die das Flachdach der Cocktaillounge umgab. Er sah aus wie ein Chemielehrer von der Highschool – jedenfalls entsprach er nicht im Geringsten dem Klischee des dunkelhäutigen Terroristen. Ein schwarzer Bart, beigefarbene Freizeithose, eine dunkelblaue James-Dean-Reißverschlussjacke, schwarze Baseballkappe, dazu eine Serientriebtäterbrille, wie sie auch sein Mordopfer Warren getragen hatte. Augenblick mal , dachte Luke, das ist tatsächlich Warrens Brille. Der Kerl ist ein Trophäensammler .
    »Nur einer?«, flüsterte Rick.
    »Was zum Teufel macht der auf dem Dach? Und wie ist er da raufgekommen?«
    »Ich werde ihn ausknipsen«, erklärte Rick, und Luke sagte: »Also los.« Doch dann hielt er Rick zurück. »Stopp. Sind wir sicher, dass der Kerl alleine ist?«
    Die beiden Männer überprüften im 360°-Winkel das Dach um das Entlüftungshäuschen. Im Süden, am Schauplatz der Explosionen, brannten riesige Feuer. Noch während Rick und Luke hinüberschauten, gabt es eine weitere Explosion, gefolgt von einem glühenden Rauchpilz mit türkisfarbenen Akzenten. Weitere Personen sahen sie aber nicht, und die Körpersprache des Killers verriet in keiner Weise, dass er mit irgendjemandem kommunizierte. Seine Aufmerksamkeitgalt in erster Linie dem fünfzehnstöckigen Hotel neben der Bar. Kaum anzunehmen, dass jemand im Hotel so dumm sein würde, sich am Fenster zu zeigen. Sie konnten ein paar Sirenen hören, aber sehr weit entfernt, und nur einen Bruchteil des üblichen Verkehrslärms. Die Welt war verstummt.
    Trotz der sengenden Hitze in ihrem staubigen Versteck fröstelte es Luke, während er den Killer beobachtete, der aufrecht dastand, die Ohren gespitzt, bereit zu töten. Luke erinnerte sich, dass er in Kalifornien mal eine Lebensmittelvergiftung gehabt und dabei gleichzeitig geglüht und geschlottert hatte. Nach außen hin wirkte der Killer so harmlos, das machte Luke am meisten Angst. Stille Wasser sind wirklich tief.
    »Dass wir bloß keinen Lärm machen und es vergeigen«, sagte Luke. »Mann, guck dir die Rauchwolke an, die da auf uns zukommt!« Eine erdnussförmige Wolke, groß wie eine Gewitterfront, trieb auf das Gebäude zu, doch ihre drohende Ankunft änderte nichts am Verhalten des Killers. Er marschierte zügig und gewandt an der Ostseite des Daches entlang und hielt nach neuen Zielen Ausschau, unbeeindruckt von der Möglichkeit, dass sich jemand rächen könnte. Er hörte irgendetwas unter sich, draußen vor dem Hotel. Blitzschnell riss er das Gewehr hoch und feuerte drei Mal. Luke und Rick hörten eine Frau schreien, dann herrschte Stille. Der Killer kniete sich auf den Dachkies und lud, nun verborgen durch die Brüstung, einen italienischen Karabiner vom Kaliber 6,5 Carcano mit einem Zielfernrohr mit vierfacher Vergrößerung nach, das gleiche Modell, mit dem Lee Harvey Oswald 1963 John F. Kennedy erschossen hatte. Rick erkannte es und sagte es Luke. »Der Kerl ist gut. Der hat Geschichtsbewusstsein«, fügte er dann hinzu.
    »Das ist ja wirklich tröstlich, Rick.«
    »Ich meine nur, mit dem Mann muss man rechnen.«
    »Jetzt erschieß ihn schon.«
    Rick versuchte, die Schrotflinte in eine Position zu bringen, ausder er zielen und schießen konnte, aber die Form des Lüftungsaufbaus ließ es nicht zu. Luke spähte übers Dach nach einem größeren Lüftungshäuschen. »Wir müssen da drüben hin.«
    Die beiden Männer kehrten in den Hohlraum zwischen Dach und Decke zurück und krochen zur anderen Seite des Dachs. Über sich hörten sie die knirschenden Schritte des Killers. Er ging ein paar Schritte, hielt inne, ging weiter, hielt wieder inne. Als sie ihr Ziel erreicht hatten, sagte Luke: »Der wird bestimmt nicht wissen, dass wir hier sind. Ich denke, wir können den Dreckskerl von da drin erwischen.«
    Sie zogen sich in einen neueren, größeren Entlüftungsaufbau hoch.
    »Ich glaube, das haut hin«, flüsterte Rick.
    »Na los, na los, mach schon«, drängte Luke und bemerkte, dass er in seiner Ungeduld schon wie Caleb klang. Und dann musste Luke, inmitten dieses Irrsinns, auf einmal über das Familienleben nachdenken. Letztendlich erlebt jede Familie ein ähnliches Maß an Prüfungen, Leiden, schicksalhaften Fügungen und medizinischen Problemen. In der einen Familie mag es mehr Krebsfälle, in der anderen mehr Psychosen und

Weitere Kostenlose Bücher