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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Schizophrenie geben, doch am Schluss gleicht sich das alles aus. Es ist ein Beweis für die Ambivalenz, mit der die meisten Menschen ihre Familie betrachten, dass sie ihre Familiengeschichte höchstens über drei Generationen zurückverfolgen. Es gibt so viele Gründe dafür, nicht mehr wissen zu wollen. Caleb hatte mal gesagt: »Sei so fromm, wie du willst; die Menschen sind Schleim.« Luke selbst würde sagen: »Vor Gottes Augen sind wir alle Schleim.«
    Luke kam ruckartig in die Gegenwart zurück. »Na los«, zischte er. »Schieß!«
    »Okay.«
    Rick hatte den Finger schon am Abzug, als eine weitere Explosion ihn zusammenzucken ließ und der Lauf der Waffe gegen eine der Aluminiumlamellen klirrte. Der Heckenschütze fuhr herum. Rickschoss und verfehlte; er und Luke sahen, wie der Killer seine Waffe hob und das Lüftungshäuschen anvisierte.
    »Scheiße, nichts wie weg hier!«
    Die beiden Männer ließen sich in den Lüftungsschacht fallen und krochen hastig zurück zu der Deckenöffnung über der Bar. »Auffangen!«, rief Rick und warf Rachel die Schrotflinte zu. Innerhalb von Sekunden waren beide Männer zurück in die Lounge gekraxelt.
    »Was ist passiert?«, wollte Karen wissen.
    »Es ist nur einer«, sagte Rick. »Er ist bis an die Zähne bewaffnet.«
    »Kommt er durchs Dach runter?«, fragte Rachel.
    »Nein. Der ist ja kein Idiot. Wenn er das täte, wären wir taktisch klar im Vorteil.«
    »Was macht er überhaupt auf unserem Dach? Wieso knallt er nicht Leute am Flughafen ab oder wo auch immer mehr Menschen sind?«, fragte Karen.
    »Machte er den Eindruck, als hätte er es auf etwas Spezielles abgesehen – hat er einen Bereich besonders im Auge?«, fragte Rachel.
    »Ja«, sagte Luke. »Den Eingang des Hotels. Der schert sich nicht mal um die aufziehenden Giftgaswolken.«
    »Ich werde alle Gebläse abstellen. Ihr glaubt ja gar nicht, was für ein Fallout da draußen ist. Und das zieht alles in unsere Richtung.«

RACHEL
    Rachel hat leichte Gewissensbisse, denn als sie am Computer saß und sich angeblich über den Ölpreis informierte, war sie in Wirklichkeit auf einer Weiße-Mäuse-Website, um zu sehen, ob die aktuellen Ereignisse Auswirkungen auf den Mäusepreis hatten. Er war unverändert, allerdings waren die verantwortlichen Leute für diese Seite immer etwas spät dran mit ihren Updates. Kurz bevor der Rechner abstürzte, konnte sie im Drudge Report noch sehen, dass der Preis für schwefelarmes Rohöl bei neunhundert Dollar lag.
    Der Fernseher über der Theke ist auch keine Hilfe, und Rachel hat das Gefühl, dass sie nicht im gleichen Maße wie die anderen zur kollektiven Sicherheit beiträgt. Karen macht ein Inventar der Lebensmittelvorräte. Die Männer bewachen den Hintereingang der Lounge. Rachel fühlt sich wie ein weibliches Mannschaftsmitglied in einer Science-Fiction-Serie im Fernsehen, das nur auf der Brücke am Kontrollpult sitzt und das wiederholt, was der Captain gerade schon gesagt hat – und das ist wirklich die letzte Rolle, die sie möchte. Immer wenn bei den Limo-und-Kekse-Pausen im Sozialen Kompetenztraining die Sprache aufs Fernsehen kam, waren sich Rachel und ihre Klassenkameraden darin einig, dass sie lieber Außerirdische als Menschen sein wollten, allerdings nicht der emotionslose Mr. Spock, weil das genau das war, was alle von ihnen erwarteten. Rachel ist weder eine Außerirdische noch ein Roboter und erlebt durchaus Emotionen – auch wenn diese Emotionen in der Regel in unterschiedlichen Graden von Verwirrung bestehen. Aber sie weiß, dass es viele Dinge gibt, die ihr Gehirn nicht »checkt«, weil es falsch verkabelt ist. Dazu gehören Humor, Schönheit, Stimmlagen, Musikalität, Ironie, Sarkasmus und Metaphorik. Metaphern! Wieso sollte ein brennendes BuchHitler darstellen? Oder den Faschismus! Ein Buch ist ein Buch. Hitler ist Hitler. Warum stehen Wiesen voller Gänseblümchen für Liebe? Es sind Pflanzen! Es ist nicht Liebe!
    Liebe.
    Na, Liebe kapiert Rachel immerhin. Oder glaubt es zumindest – hofft es zumindest, da neurotypische Menschen offenbar von nichts anderem sprechen oder singen können. Sie empfindet bei ein paar Dingen durchaus tief und hofft, dass es sich dabei um Liebe handelt. Sie liebt die ersten dreißig Sekunden von »A Rush and a Push and the Land Is Ours« von den Smiths – das Klangbild des Songs, das sie auf eine Weise, die jedweder sprachlicher Zeitform spottet, daran erinnert, wie es sich anfühlt, ein Gespenst zu sein. Rachel liebt außerdem den

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