Spieler Eins - Roman in 5 Stunden
braunen Zucker.«
»Die Geschichte erinnert sich nur an Leute, die neue Haarstile erfunden haben: Julius Cäsar. Einstein. Hitler. Marilyn Monroe. Warum sich damit abplagen, Europa zu erobern oder die Atomforschung zu erfinden, wenn man bloß eine kleine Modeinnovation braucht? Wenn Marie Curie ein bisschen mehr auf ihre Erscheinung geachtet hätte, wäre sie heute auf der Zehndollarnote.«
»Sehr clever.«
Casey spürte, dass Karen nicht in Streitlaune war. »Mom, was glaubst du, was nach deinem Tod mit dir passiert?«
»Was meinst du damit?«
»Glaubst du an etwas Bestimmtes, wie eine Religion zum Beispiel,oder glaubst du, da kommt vielleicht so ein warmes kosmisches Gefühl, gefolgt von der totalen Auslöschung deiner selbst?«
»Casey, das ist nichts, was ich an einem Dienstagmorgen gern besprechen möchte.«
»In Star Trek: Treffen der Generationen sagt Soran: ›Zeit ist das Feuer, in dem wir verbrennen.‹ Stell dir das mal vor, Mom, in einem Feuer aus Zeit zu verbrennen.«
»Es ist Dienstagmorgen, verflixt noch mal, Casey. Und du weißt, dass ich einen großen Tag vor mir habe. Sag du mir doch, was du vom Leben nach dem Tod hältst.«
»Ich weiß es nicht«, meinte Casey. »Wenn ich wirklich praktisch veranlagt und außerdem grün wäre, würde ich verlangen, dass man meinen Körper in einen großen Topf steckt und ihn einkocht, bis er zu einer Instantbrühe wird, die man über Ramennudeln kippt.«
»Aber du bist nicht praktisch veranlagt.«
»Nein, bin ich nicht. Ich möchte begraben werden, nicht verbrannt. Und keinen Sarg. Ich wiederhole, keinen Sarg – ich will direkt auf den Kompost.«
»Auf den Kompost? Das klingt irgendwie eklig.«
»Gar nicht. Kompostiert zu werden ist eine feine Sache – dann wäre ich saftig und körnig wie Haferflocken-Himbeer-Muffins.« Casey kratzte den Rest ihrer Haferflocken zusammen. »Kendra aus meinem Twirling-Kurs meint, der Tod wäre wie ein Wellnessurlaub, wo dir jede Entscheidung abgenommen ist und du dich einfach nur zurücklegen und alles über dich ergehen lassen musst.«
»Hört sich für mich an, als wär Kendra ein bisschen bequem.«
»Kendra ist brutal bequem.«
»Lass uns fahren. Ich kann dich auf dem Weg zum Flughafen absetzen.«
»Aber du hast mir noch nicht gesagt, was du über den Tod denkst!«
»Tja, Casey, ich weiß nicht, wo ich gewesen bin, bevor ich zurWelt kam, warum sollte ich mir also Gedanken darüber machen, wo ich hinkomme, wenn ich tot bin? Wenn wir sterben, haben wir keine andere Wahl, als es allen Lebewesen gleichzutun, die jemals existierten – oder noch existieren werden.«
»Du wirst ja richtig ganzheitlich, Mom. Mach das öfter. Aber was hältst du wirklich von meinen Haaren?«
»Steig in den Wagen. Du wirst mich nicht dazu bringen, an deiner Frisur rumzumäkeln.«
Seit diesem Gespräch hatte Karen einen ganzen Kontinent durchquert, ein gescheitertes romantisches Techtelmechtel gehabt, war Zeugin eines Mordes geworden, hatte den Untergang der westlichen Zivilisation miterlebt und einen religiösen Spinner gefangen genommen.
Karen riss sich aus ihrem Tagtraum und schaute auf ihr totes Telefon. Sie bemerkte, dass Rick und Rachel den Raum verlassen hatten und Luke jetzt Bertis mit der Schrotflinte bewachte. Sie dachte an Casey, die nun zu Hause saß und zusah, wie überall in der Stadt Rauchwolken aufstiegen und Himmel und Erde zusammenspannten. Karen setzte sich Bertis gegenüber an den Tisch und sagte: »Also, Mr. Bertis, wenn Sie irgendwas zu sagen haben, ich höre zu.«
RICK
Rick ist verliebt. Wie rasch das Universum Leslie Freemont entsorgt hat, um in Ricks Herz Platz für die wunderschöne junge Rachel zu schaffen. Nichts an der gegenwärtigen Situation kann ihn aus der Fassung bringen. Er empfindet keine Furcht, nur Wärme. Er hat das Gefühl, Laserstrahlen aus seinen Fingerspitzen abfeuern zu können und in jedem, den er damit an der richtigen Stelle trifft, sakrale Gefühle zu wecken. Er kommt sich vor wie ein Superheld: Sakralman.
Und er hat eine Schrotflinte. Die hilft auch. Wie Luke Bertis’ linken Zeh abgeschossen hat – das war schon heftig, aber Bertis verdient weitaus Schlimmeres.
Rick entdeckt Spuren von Leslie Freemont in Bertis’ Sprachmustern. Ja, Bertis ist ein besserer Leslie Freemont, als Leslie Freemont es je war. Er will das gerade ansprechen, als Rachel den Kopf dreht und wittert wie ein Border Collie. »Da gibt es irgendwo ein Leck. Das Gift von draußen kommt rein. Es kommt von
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