Spieltage
unterlagen AEK Athen 0:2, aber das Spiel reichte, um Heinz Höhers Ruf in Griechenland zu etablieren. 18 Stunden nach dem Endspiel erhielt er aus dem Nichts das Angebot, Olympiakos Piräus zu trainieren. Olympiakos hatte gerade viermal hintereinander die griechische Meisterschaft gewonnen. Zu Olympiakos sagte man nicht Nein. Man bereitete sich darauf vor, dass man auch auf Platz eins entlassen werden konnte, wenn dem Präsidenten fünfzehn Minuten eines Spieles oder ein paar Zitate in der Zeitung nicht passten. Im September 1983 schaltete Heinz Höhers Olympiakos in der ersten Runde des Europapokals der Landesmeister Ajax Amsterdam mit Ronald Koeman und Marco van Basten aus, Dutzende Fotografen stürmten mitten im Spiel den Platz, um den zweifachen Torschützen Nikos Anastopoulos beim Jubel abzulichten, Zehntausende Stimmen vereinten sich zur Vereinshymne: »Ruhm an deine Kinder, Olympiakos, Tausendfachbesungener, in der Welt Berühmter, sie zittern, wenn dein Name erklingt, und noch immer können sie sich an dich erinnern, Santos und Pelé.« Zwei Monate später war Heinz Höher entlassen. Olympiakos lag in der griechischen Liga nur auf Platz zwei hinter Panathinaikos.
Die Entlassung kam gerade zur richtigen Zeit für Heinz Höher. Der 1. FC Nürnberg suchte wieder einmal einen Trainer.
Mit roten Leinenschuhen, gemacht für den griechischen Sommer, kam er im Nürnberger Schnee an. Am 1. Januar 1984 leitete er das erste Training. Menschen wollen das glauben: dass ein neues Jahr ein neuer Anfang wäre. Der 1. FC Nürnberg, deutscher Rekordmeister mit neun Titeln, stand zur Halbzeit der Bundesligasaison mit neun Punkten auf dem letzten Tabellenplatz.
Düsseldorf habe er in einer ähnlichen Situation, zu einem ähnlichen Zeitpunkt der Saison übernommen und da rausgeholt, sagte Heinz Höher den Sportjournalisten. Da hatte er schon erkannt, dass Nürnberg nicht Düsseldorf war.
Wenn er zum Abschluss des Trainings am Valznerweiher ein Spiel ansetzte, überließ es Heinz Höher zur Auflockerung zwei Fußballern, die Mannschaften selbst zu wählen, wie die Kinder auf dem Bolzplatz. Außenstürmer Rüdiger Abramczik gehörte im Training oft zu den Besten. Und er wurde immer als Letzter gewählt.
Warum wählt mich denn keiner, schrie Abramczik.
Als Antwort schauten die anderen auf den Boden oder zur Seite.
Grüppchenbildung und Integrationsprobleme waren neue Ausdrücke in der Fußballersprache der frühen Achtziger, als Kaufen & Verkaufen zu einem gesonderten Sport der Bundesliga wurde. Gewachsene Mannschaftsstrukturen wurden jeden Sommer durch den Ver- und Zukauf von Spielern aus allen Himmelsrichtungen zerbrochen. Zurückblieben meistens ein innerer Zirkel von etablierten Spielern und die Frage, wie sie die Neuen aufnehmen würden. Mit den Neuen kamen unterschwellig Verdächtigungen: Zahlen sie denen mehr, nur weil sie von fern geholt wurden? Wollen sie nur noch mal abkassieren? Verdrängen sie uns aus dem Team?
Der 1. FC Nürnberg nahm in der Saison 1983/84 zehn neue Spieler auf. Einer, Stefan Lottermann, hatte Soziologie und Sport studiert. Er hängte am Schwarzen Brett in der Kabine einen Spiegel- Artikel auf: Wie Kopfballspielen das Gehirn schädige. Zwei andere Neue, Manfred Burgsmüller und Rüdiger Abramczik, scherzten lieber über Geschlechtsteile lang wie eine Anakonda.
Und schon wieder verloren, sagte Abramczik, der Abi, montags: Was soll’s, ich kriege auch so mein Geld.
War doch nur ein kleiner Spruch vom Abi. Aber das Nürnberger Establishment in der Umkleidekabine um Reinhold Hintermaier fand es nicht lustig. Bekam der Abi wirklich so viel Geld, wie er tönte; bekam er mehr Geld als sie? Hintermaier oder Herbert Heidenreich saßen nun oft auf der Ersatzbank, während der Abi vor dem Spiel rief, heute bin ich heiß, heute beiß ich in den Pfosten, und im Spiel dann wieder beim Dribbling hängen blieb.
Heinz Höher sah, wie die einen im Training nicht zu den anderen passten, wie die anderen die einen traten und die Dritten sich in sich selbst zurückzogen. War ein Trainer in Zeiten des Kaufens & Verkaufens auch ein bisschen Sozialarbeiter? Musste er die Integration der Neuen zumindest moderieren? Heinz Höher ließ das Training laufen und hoffte, dass die Spannungen von selbst verschwinden würden.
Fußballteams mit so unterschiedlichen Charakteren wie Abramczik, Lottermann, Hintermaier konnten sehr wohl funktionieren, die meisten Mannschaften waren heterogene Gruppen, aber etwas musste sie
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