Spieltage
Telefon und fragte sich still, warum sie sich dann im Innersten nicht wohlfühlte, so weit weg von zu Hause. Heinz Höher schrieb Gutenachtgeschichten für Thomas. Sie handelten von Tommo, einem neunjährigen, hochbegabten Jungen aus dem Waisenhaus, der unter Tieren auf dem Ulmenhof aufwächst, nicht zur Schule gehen muss und die Tiere zur Hunde-Europameisterschaft im Fußball führen wird. »Was nun Tommos Fähigkeit, mit Tieren reden zu können, angeht, darf man sich nicht vorstellen, dass er nun mit Katzen miaut oder mit Schweinen gegrunzt hätte. Oder dass die Tiere mit ihm in seiner Sprache gesprochen hätten. Die Tiere verstanden Tommo am Klang und an der Stärke, die er seiner Stimme gab.«
Der Fußball lief. Oder hatte Heinz Höher etwas übersehen, eine winzige Störung, die im Fußball rapide wachsen und das ganze Erfolgssystem einreißen konnte? Hätte er es als Misstrauensvotum nehmen sollen, als ihm der Präsident, Herr Pantelakis, befahl, nach Frankreich zu reisen und PAOKs Gegner im UEFA-Pokal zu beobachten? Herr Pantelakis war ein arbeitsamer, ernsthafter Mann, der buschige, scharf geschnittene Schnauzer zog seine Lippen herunter. Die Anweisung, extra nach Frankreich zu reisen, entsprach nur Pantelakis’ Gewissenhaftigkeit, beruhigte sich Heinz Höher. Er fuhr nach Sochaux, um den Gegner zu beobachten. Weil der Zug zurück zum Pariser Flughafen am frühen Morgen ging, legte sich Heinz Höher, Trainer des UEFA-Cup-Teilnehmers PAOK Saloniki, nach seiner Spielbeobachtung in Sochaux auf einer Bahnhofsbank schlafen. Sie schlugen den FC Sochaux. Nein, es war kein Signal zu erkennen, dass etwas losbrechen könnte.
In einem der folgenden Heimspiele spielte PAOK nur unentschieden. Heinz Höher verteidigte sich auf der Pressekonferenz, niemand gewann immer. PAOK war immer noch Tabellenvierter. Als er in die Umkleidekabine zurückkehrte, saßen die Spieler geduscht und angezogen auf den Bänken.
Was macht ihr hier, warum geht ihr nicht nach Hause?
Schauen Sie mal aus dem Fenster.
Am Stadionzaun warteten Hunderte Zuschauer. Ihre Fahnenstangen hielten sie wie Schlagstöcke.
Die Fans, Herr Höher, hatte der Dolmetscher ein Jahr zuvor gesagt.
Einige Tage später wartete nach dem Training ein Hüne auf Heinz Höher. Er redete auf den Trainer auf Griechisch ein, Heinz Höher verstand fast nichts und doch alles. Höhers Fußball gefalle ihm nicht, sagten die gestikulierenden Pranken und die zu einer Zornesfalte zusammengezogene Stirn des Hünen, wenn das nicht besser werde, warte er bald auf Höher in dessen Garage.
Der Hüne saß jeden Tag beim Training auf der Tribüne, allein, unbeweglich.
Ach, sagte Heinz Höher zu Jürgen Köper, als er seinen alten Spieler das nächste Mal in Bochum besuchte, kannst du mir nicht eine von deinen Pistolen leihen?
Jürgen Köper gab ihm eine 7,65 Millimeter Beretta.
Heinz Höher hätte nicht gedacht, wie erregend es war, eine Pistole abzudrücken. Der warme Widerstand des Abzugs rieb am Zeigefinger, und wenn er dann langsam, die Augen zusammengekniffen, durchdrückte, war die ganze Körperspannung auf diese eine Bewegung des Zeigefingers konzentriert. Er trug die Waffe den ganzen Tag am Körper.
Er hatte nur einen kurzen Abstecher nach Bochum gemacht, er weilte mit PAOK zum Trainingslager im Sauerland. Nach Jürgen Köper sah er auch noch bei Heinz Formann vorbei. Der WAZ- Journalist brachte ihn zur Mannschaft ins Sauerland zurück. Halt mal an, sagte Heinz Höher abrupt am Ortsausgang.
Was?
Halt an!
Heinz Höher stieg aus, durchlöcherte das Bochumer Ortsschild mit fünf Kugeln und stieg wieder ein.
Beim Rückflug störten sich die Zöllner am Flughafen nicht an der Waffe. Sie war doch sicher im Koffer verstaut.
Beim nächsten Training suchte Heinz Höher aus den Augenwinkeln den Hünen auf der Tribüne. Der Hüne blieb sitzen, als das Training vorbei war. Ein paar Leichtathleten hatten zu trainieren begonnen, sonst war das Stadion leer. Heinz Höher blickte demonstrativ zum Hünen hinauf, holte die Beretta aus der Tasche und zielte. Unter der Tribüne hing eine Werbebande für Margarine aus Sonnenblumenöl. Heinz Höher hielt auf die aufgedruckte Sonnenblume, zweimal, dreimal, viermal. Es schepperte, als die Kugeln die Metallbande durchbrachen, der Leichtathletiktrainer und seine Schüler rannten davon. Der Hüne bewegte sich nicht. Aber Heinz Höher meinte, dass er verstanden hatte.
In der zweiten Saison mit PAOK erreichte er das griechische Pokalfinale. Sie
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