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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Botschaften nur an. Aber damals als Fußballprofi war mir diese Hochschule zu hoch. Heinz Höhers introvertiert-intellektueller Ansatz hätte vielleicht mit einer Elf von Psychologiestudenten funktioniert. Aber die hätten dann auch nicht so gut Fußball gespielt.«
    Wie wenig hatte gefehlt, und Heinz Höher wäre bei der Rebellion vom Hof gejagt worden? Hätte nur Horst Weyerich, der echte Cluberer, auf der Jahreshauptversammlung reden müssen? Womöglich hätte die Öffentlichkeit, dieses wendige Biest, postwendend die Rebellen als mündige, pflichtbewusste Spieler gefeiert, die Missstände offenlegten.
    29 Jahre später lächeln die Aufständischen milde über ihren Putschversuch. Es sei schon klar, dass man seine Strafe erhalte, wenn man einen Trainingsboykott ausrufe, sagt Detlef Krella. Die Idee, eine Presseerklärung gegen den Trainer herauszugeben, sei doch reichlich amateurhaft gewesen, sagt Udo Horsmann. Rudi Kargus sagt, heute könne er wohl vieles in Höhers Verhalten besser nachvollziehen.
    Er bereitet seine nächste Ausstellung vor, in der Galerie kd Kunst bei Bremen. Die Ausstellung heißt »Alles wird gut«. Im Vergleich zu anderen Künstlern malt er viele Bilder, da ist das Gefühl, er müsse etwas nachholen, als Spätberufener mit mittlerweile 60 Jahren, aber da steckt auch noch die alte Fußballerdisziplin in ihm. Wenn er über die Malerei, den Fußball oder die Rebellion spricht, klingen seine Worte auf zauberhafte Art unprätentiös. Rudi Kargus unternimmt keine Versuche, sich zu verteidigen, sich besser darzustellen, er erforscht die Erinnerungen, als wolle er einfach nur herausfinden, wie es war, wie er war.
    Wie die anderen Rebellen hat er Heinz Höher nie mehr wieder getroffen. Heinz Höher sagt brüsk, er hätte auch nicht das geringste Interesse an einem Wiedersehen. Er wüsste nicht, was es da noch zu besprechen gebe.
    Was er wirklich fühlt, hat er fast drei Jahrzehnte für sich behalten. Du warst paralysiert durch den Abstieg mit Nürnberg, du hast dich nicht mehr getraut, schwierige Entscheidungen zu treffen, wie Horsmann und Weyerich aus der Abwehr zu nehmen, du hast es laufen lassen; die Rebellion hat dir wieder Kraft und Schwung gegeben. Die Rebellion hat dich gerettet.
    Nürnbergs junger Club mit Dorfner, Reuter, Grahammer, Eckstein habe dieselbe Substanz wie Mönchengladbachs Fohlen-Elf 1965 mit Netzer, Heynckes, Vogts, Rupp, sagte Heinz Höher nach dem Aufstieg und glaubte es unbedingt. Mit dieser Elf würde er durch die Bundesliga stürmen, euphorisch, grazil, ganz und gar ohne menschliche Probleme. Als Präsident Schmelzers Tochter Jasmin geboren wurde, brachte Kapitän Günter Güttler im Namen der Mannschaft Blumen vorbei.

Die Achtziger
Große Unterhaltung, bitte
    Aus dem Himmel landeten sie in der Bundesliga. Eine Staffel Fallschirmspringer segelte vor dem ersten Spiel des Bundesligarückkehrers 1. FC Nürnberg im August 1985 ins Städtische Stadion herein. Den Zuschauern musste ein attraktives Rahmenprogramm vor dem Spiel geboten werden, es ließ sich doch, im Jahr 1985, niemand mehr mit dem üblichen Vorspiel der E-Jugend-Mannschaften und dem Halbzeitmarsch der Blaskapelle Eiskalte Brüder unterhalten. Wenn die Bundesliga sich behaupten wollte, erklärten die Werbeagenturen den ehrenamtlich tätigen Präsidenten, musste sie mehr als Fußball sein, gute Unterhaltung. Die Leute nämlich hatten eine ganz andere Auswahl an Freizeitmöglichkeiten als noch vor zehn Jahren. Sie gingen, begeistert von Boris Becker, Tennis spielen, tanzten in Großraumdiskotheken, die selbst in der Provinz am Rande von Industriegebieten öffneten, oder blieben im Wohnzimmer, wo private Fernsehsender die Programmauswahl vervierfachten. Nach den Fallschirmspringern tanzten Gardemädchen ins Nürnberger Stadion hinein. Sie hießen neuerdings Cheerleader.
    Erwin Steden, der Jugendleiter von Nürnbergs erstem Bundesligagegner VfL Bochum, schrieb wegen der abgesetzten Schülervorspiele zornig an Karl Kardinal Lehmann, den Erzbischof von Mainz. Wenn Kardinal Lehmann wirklich etwas für die Jugend tun wolle, wie Steden in einem Zeitungsinterview gelesen hatte, dann solle sich der Erzbischof doch für die Wiederaufnahme der Schülervorspiele einsetzen! Was meine er, welche Motivation es für Zwölfjährige sei, einmal vor Zwanzig- oder Dreißigtausend zu spielen. Der Kardinal antwortete nicht. Steden verstand es nicht: Die Leute gingen doch ins Stadion, um Fußball zu sehen – wieso also sollten ein paar

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