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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Ende November 1985 die Journalisten aus Düsseldorf vor Fortunas Begegnung in Nürnberg auf der Pressetribüne fragten, fliegt der Höher, wenn er heute nicht gewinnt, antworteten die Nürnberger Sportreporter nur: Schwer zu sagen.
    Heinz Höher hatte dieselbe Frage einige Tage zuvor Gerd Schmelzer gestellt: Wann fliege ich raus?
    Die bewegenden Tage der Rebellion und des Aufstiegs hatten aus ihnen Freunde gemacht, die glaubten, sich alles sagen zu können.
    Du fliegst nicht, sagte Schmelzer. Es ist nur natürlich, dass so eine junge Mannschaft Schwankungen unterläuft. Ich habe nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Spiele gesehen: Die Mannschaft spielt nicht schlecht, sie folgt noch immer ihrer Grundidee vom Attackefußball. Wir haben uns für den Weg entschieden, mit dir als Trainer eine junge Elf aufzubauen, dann müssen wir auch die Geduld aufbringen, das durchzuziehen. Beharrlichkeit ist ein großer Wert, im Leben wie im Fußball.
    Heinz Höher glaubte Gerd Schmelzer. Er wusste aber auch, dass ein Punkt kam, an dem der Präsident sagen konnte, was er wollte. Dann wurde die Macht des Faktischen zu stark und spülte einen Trainer hinweg. Nach 1:19 Punkten war dieser Punkt nahe.
    Heinz Höher flüchtete vor dem Spiel gegen Düsseldorf in die vergangene Schönheit. Er ließ seinen Sohn Thomas die Videokassette vom Aufstieg einlegen. Er selbst sagte sich und dem zehnjährigen Sohn, er könne keinen Videorekorder bedienen, mit 47 sei er zu alt für moderne Technik. Die Spielerberater schickten dem Club Videos von potenziellen Neuzugängen, die er auch mit Thomas im Wohnzimmer betrachtete. Einen Spieler vom Videoband, den norwegischen Stürmer Jörn Andersen, verpflichtete Nürnberg tatsächlich. Andersens Spielerberater hatte das Video selbst aufgenommen und zusammengestellt. Neben ein paar flimmernden Spielszenen sah man auch, wie Andersen alleine auf dem Trainingsplatz um Slalomstangen dribbelte und auf ein leeres Tor zielte.
    Wie oft hatte er das Video vom Aufstieg schon angesehen? Die Kinder wussten, wann immer Besuch bei ihnen in der Elbinger Straße weilte, kam irgendwann der Moment, wenn das Gespräch auf den Aufstieg kam und der Vater sagte: Wenn ihr wollt, kann ich euch das Video zeigen. Falls der Besuch das Gespräch einmal nicht auf den unglaublichen Aufstieg brachte, erinnerte ihn eines der Kinder daran, dass man da ein Video habe.
    Heinz Höher sah noch einmal Thomas Brunner das 2:0 gegen Hessen Kassel schießen, dann verschwand der Fußballplatz unter den Fans. In der Umkleidekabine badeten ihn Hansi Dorfner und Roland Grahammer in Champagner, während er einem Fernsehreporter beschied, »wissen Sie, mit der Freude über den Aufstieg beginnen schon wieder die Sorgen hinsichtlich der neuen Saison«. Er hatte gedacht, ein Trainer müsse so reden. Er hatte sich nicht ernsthaft Sorgen gemacht.
    Nur kurz, sagte Präsident Schmelzer, der nach 1:19 Punkten am Morgen vor dem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf plötzlich bei der Mannschaftssitzung im Hotel Forsthaus in Fürth aufgetaucht war. Es ist natürlich wichtig, wie es heute ausgeht, sagte Schmelzer, aber ihr seid besser als die letzten Ergebnisse. Und der Heinz bleibt Trainer. Viel Glück, meine Herren.
    Gerd Schmelzer kam gerne ins Trainingslager. Unter der gespielten Lockerheit, in der vorgeblich trägen Hotelatmosphäre ließ sich bereits die Anspannung vor dem Spiel spüren. Sie hatte etwas Elektrisierendes. Nur wer diese Anspannung fühlte, konnte das Glück nach einem Sieg vollends auskosten. Gerd Schmelzer war ein Bundesligapräsident, der lieber Fußballspieler gewesen wäre. So wurde er ein Präsident, der von Amts wegen staatstragend und distanziert sein konnte und oft nah bei der Mannschaft war.
    Er wusste, er sollte sich mit Mitte dreißig um das Fortkommen seiner Firma Alpha bemühen, die sich auf den Umbau brachliegender Industrieanlagen spezialisiert hatte. Bundesligapräsident wurde man mit 50 oder 60, ehrenamtlich, nach der Karriere. Doch er war da nun einmal hineingeraten. Er sah selbst, dass ihn auch die süchtig machende Nähe zu Stars und die Sehnsucht nach Ruhm im Amt hielten. Zur Weihnachtsfeier lud er die Mannschaft zu sich nach Hause ein. Der eigenen Eitelkeit begegnete er mit Selbstironie. »Jetzt gehe ich eine halbe Stunde am Hauptmarkt spazieren«, sagte er, »und lass mir von den Leuten Grüß Gott sagen.«
    In Unterbürg, wo in Nürnberg die Häuser größer und die Mauern um die Gärten höher werden, kaufte Schmelzer ein

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