Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
Vom Netzwerk:
Nicht einmal zehntausend Besucher kamen zu der Partie, die doch, in der martialischen Sprache des Fußballs, ein Schicksalsspiel war. Nürnberg, der Vorletzte, traf auf Düsseldorf, den Letzten.
    Die Zuschauerzahlen der Bundesliga fielen weiterhin ungebremst, mittlerweile sahen im Schnitt nicht einmal mehr 20000 eine Partie. Der Kampf gegen die Hooligans zeigte eine diskutable Wirkung. Sie prügelten sich nicht mehr im Stadion, sondern davor. Aber was immer die Vereine taten, um den Stadionbesuch komfortabler zu gestalten, kämpften sie nicht einen aussichtslosen Kampf gegen das bequeme Sofa im Wohnzimmer? Jeden Samstag sahen 18 Millionen Menschen die Bundesliga im Fernsehen, dreimal so viele, wie im gesamten Jahr die Stadien besuchten. Wenn sie irgendwann in ferner Zukunft auch noch anfingen, ganz normale Bundesligaspiele live zu übertragen, wie die Gurus der privaten Sender phantasierten, dann saßen bald alle zu Hause und sahen Spiele in leeren Stadien im Fernsehen, dachte sich Heinz Höher.
    Der 1. FC Nürnberg mit seiner jungen, enthusiastischen Elf hatte sich nach dem Aufstieg für eine Oase gehalten, Jugend wurde geliebt, die Zuschauer strömten. Aber bei Schnee und Niederlagen gingen auch die Leute in Nürnberg ungern zum Fußball.
    Zweimal ging der junge Club gegen Fortuna Düsseldorf in Führung. Beide Male glich Düsseldorf aus. Es blieben nur noch 16 Spielminuten. Heinz Höher hatte Hansi Dorfner, seinen Spielgestalter, vom Platz nehmen müssen. Dorfner war erst vor zwei Wochen am Meniskus operiert worden. Er sollte überhaupt nicht Fußball spielen. Er hatte natürlich spielen müssen, im Schicksalsspiel.
    Die Angst spielte mit. Die Nürnberger Furcht, wieder nicht zu gewinnen, die Düsseldorfer Angst, wieder zu verlieren, lenkte die Füße. Heinz Höher, von dem die Zeitungen schrieben, er sei introvertiert, er sei der Schweiger, tobte durch den Schnee auf der Laufbahn entlang. Er lief die Angriffe mit seiner Mannschaft mit, er rannte mit ihr zurück in die Abwehr. Er war an der Eckfahne, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Mit einem Unentschieden können wir doch beide gut leben, sagte Fortunas Präsident Peter Förster zu ihm, was machte überhaupt ein Präsident auf der Laufbahn? In Schicksalsspielen war alles möglich. Nichts da!, schrie Heinz Höher, schüttelte die Hand ab und schrie weiter, kommt, noch einmal ein Eckball, der muss sitzen, wie wir es trainiert haben.
    Der Eckball flog herein, Joachim Philipkowski konnte einen Kopfball aufs Tor bringen – doch wie schlecht, durchfuhr es Heinz Höher, genau auf den Torwart. Dann lag der Ball im Tor. Düsseldorfs Torwart Jörg Schmadtke stand instinktiv breitbeinig da, als der Kopfball auf ihn zuflog, er wollte bereit sein, in beide Richtungen abspringen zu können. Der Kopfball segelte genau durch seine geöffneten Beine ins Tor, vier Minuten vor Spielende, zum 3:2-Sieg. Heinz Höher sank im Schnee auf die Knie.
    Der 1. FC Nürnberg musste bis zum letzten Spieltag warten, bis er im Frühling 1986 den Abstieg tatsächlich umgangen hatte. Aber er war seit dem Sieg über Düsseldorf wieder er selbst, eine junge, vielversprechende Elf, die noch nicht alles halten konnte.
    Nach den Heimspielen verabredeten sich die Spieler nie für den Abend. Es war nicht nötig, sie wussten, nachher trafen sich sowieso fast alle in den Warsteiner Stuben, die Mannschaftsbetreuer Klaus Majora führte. Es war eine simple Bierkneipe. Die Spieler brachten ihre Eltern und Geschwister mit. Heinz Höher stieß mit Doris gelegentlich dazu. Es hatte nichts Gezwungenes, der Trainer unter den jungen Spielern. Er gehörte dazu.
    Eigentlich, dachte sich Stürmer Rudi Stenzel, war alles auch nicht anders als bei Rapid Vilsheim. In dem niederbayerischen Dorfverein hatte er zweieinhalb Jahre zuvor noch gespielt, in der Kreisliga A. Mit 24, nach einem einzigen Jahr beim Bayernligaklub Landshut als Zwischenstation, war er in Nürnberg Profifußballer geworden; er hatte gezögert, ob er den Schritt machen sollte, Nürnberg war weit weg von Vilsheim, fast 130 Kilometer. Erst als er die Versicherung erhielt, jederzeit an seinen Arbeitsplatz als Flugzeugmechaniker im Fliegerhorst Erding zurückkehren zu können, ging er. Sein Körper war auf das Profitraining nicht vorbereitet. Ständig schmerzten irgendwelche Muskeln, die Sehnen. Dann gab es halt eine schmerzstillende Spritze. Nach dem nächsten Spiel brannten die Sehnen und Muskeln an einer anderen Stelle. Dann gab es halt wieder

Weitere Kostenlose Bücher