Spieltage
wurde sie wahrgenommen. Ein Spross schien sich dabei über 37 Jahre in der Bundesliga gehalten zu haben: Zu Beginn der Bundesliga, als sich Deutschland noch für ein klar in Regionen geteiltes Fußballland hielt, hatte der Süden der Republik für sich in Anspruch genommen, den spielerischen Stil zu pflegen. War es nur Zufall oder ein Stück Tradition, dass die Hinkehr zu einem eleganteren, taktisch anspruchsvolleren Spiel vom Süden ausging, von Freiburg, Stuttgart, Ulm, schon bald auch Mainz?
Nachdem Heinz Höher in Briefen und mittels Zeitungsartikeln ständig auf ihn einredete, lud der Fürther Präsident Helmut Hack ihn erneut zu einem klärenden Gespräch ein, obwohl aus seiner Sicht längst alles geklärt war. Hack bat Reinhold Hintermaier dazu.
Hintermaier holte Heinz Höher zu Hause in der Elbinger Straße ab, und Seite an Seite fuhren sie aufs Land, zu Herrn Hack nach Vestenbergsgreuth. Hintermaier dachte sich, der Höher hat mich 1984 beim Club rausgeworfen, und jetzt hat er wieder versucht, mich zu hintergehen, Spieler aus meiner Jugendabteilung unter seine private Kontrolle zu bringen. Heinz Höher dachte sich, der Hintermaier hat 1984 nur Stunk gemacht, und jetzt ist er mir wieder in den Rücken gefallen, weil er neidisch auf meinen Erfolg mit der D-Jugend war. Friedlich, wie zwei gut kooperierende Partner, fuhren sie im Auto dahin.
Helmut Hack hatte dafür gesorgt, dass Schweden, Ägypter oder Guatemalteken den Namen Vestenbergsgreuth auszusprechen versuchten; wenn sie erzählen wollten, wo die Teefirma ihren Sitz hatte, von der sie ihre Ware bezogen oder an die sie Gewürze lieferten. Als Geschäftsführer hatte Hack mitgeholfen, die Teefirma seines Großvaters Martin Bauer zu einem weltweit agierenden Unternehmen auszubauen. Nebenbei hatte er den Dorfverein TSV Vestenbergsgreuth mit der Spielvereinigung Fürth fusioniert und in der Zweiten Bundesliga etabliert. Zu seiner Frau sagte Hack, sie habe Glück. Dass er so wenig da sei. Ob das ein Scherz oder die Wahrheit war, konnte sich seine Frau selbst aussuchen. Sie backte, auch in der Zweiten Liga, zu jedem Heimspiel den Kuchen für den Halbzeitschmaus der Journalisten.
Ab vierzig wurde Helmut Hack nicht mehr älter. Er sah, mit 42 oder 51, immer gleich aus, das angedeutete Lächeln unter der Brille und der ewigen Frisur, dem dichten, zurückgekämmten braunen Haar. Lachen Sie doch einmal, sagte Hack zu Heinz Höher, als er ihn an seiner Tür begrüßte, ich habe Sie noch nie lachen gesehen. Heinz Höher nickte grimmig.
Die Diskussion war sachlich, die Argumente waren altbekannt. Er verstehe nicht, warum er entlassen werde, wenn er seine Arbeit besonders gewissenhaft betreibe, sagte Heinz Höher. Er könne keinen Verein im Verein aufmachen, sagte Helmut Hack. Heinz Höhers Blick schweifte ab zu Jesus, Maria, Benedikt von Nursia oder wer diese Prediger des Glaubens auch alle waren, die auf den Heiligenbildern an Helmut Hacks Wänden hingen. Während der Präsident redete, stellte sich Heinz Höher vor, dass die Heiligen den Kopf schüttelten.
Herr Höher, Sie können nicht ohne Rücksprache einen privaten Trainingsbetrieb parallel zum Klubtraining aufbauen – da müssen wir vom Verein fürchten, dass Sie die Spieler irgendwann hinter unserem Rücken zu einem anderen Klub bringen, sagte Hack, und Heinz Höher sah die Heiligen furios den Kopf schütteln. Er spürte, wie das Lachen in ihm erwachte, er versuchte, es zu beherrschen, aber die Heiligen schüttelten weiter den Kopf und – nun sah ihn Helmut Hack einmal lachen. Auch wenn er nicht verstand, warum.
Es war ein seriöses Gespräch, für das er dankbar sei, schrieb Helmut Hack ein paar Tage später an Heinz Höher; das Lachen war offenbar nur eine kurze Irritation gewesen. Im Moment sehe er sich außerstande, die Entlassung zu korrigieren, schrieb Hack weiter, aber lassen Sie uns so verbleiben, dass wir in einem Jahr noch einmal reden.
Das war eine Geste. Aber sie steigerte nur Heinz Höhers Verzweiflung: Er sah ein Jahr vor sich, leer und sinnlos. Er fuhr wie ein Fan, ein Wegelagerer, nach Bad Wörishofen, ins Sommertrainingslager des 1. FC Nürnberg. Er sprach Klaus Augenthaler an, den Trainer der Nürnberger Profimannschaft, ein erfahrener Bundesligatrainer wandte sich an einen Einsteiger ins Bundesligatrainergeschäft. Heinz Höher fragte, ob Augenthaler nicht irgendeinen Hiwi-Posten für ihn hätte oder sich beim Jugendkoordinator für ihn einsetzen könne. Heinz Höher selbst fand
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