Spieltage
eigenen Konditorei auftrug. Nichts anderes als den empörten Protest der Frauen hatte Wachtmeister erwartet.
Heinz Höher verließ die Hochzeit mit den Männern. Es war nicht nur das Fest eines geschätzten Bekannten, sondern auch das seiner Schwester. Heinz Wachtmeister, der Konditorsohn, der ihm die Ski für jenen verhängnisvollen Tag im Westerwald geliehen hatte, heiratete Höhers Schwester Hilla.
Den unangenehmsten Auftritt hatte Heinz Höher seinen älteren Brüdern Johannes und Manfred überlassen. Sie stellten Heinz Wachtmeister einige Wochen vor der Hochzeit am 26. Oktober 1963 zur Rede und fragten ihn, wie es sich für eine sorgsame Familie gebührte: Wie stellst du dir das eigentlich vor, wie willst du unsere Schwester ernähren? Mit einer Konditorei und einer Bierkneipe stehe man doch wohl permanent vor der Verschuldung, nahmen die Söhne von Betten-Höher an. Hilla war empört. Glaubten ihre Brüder, sie müssten noch auf sie aufpassen? Sie war 21!
Heinz Höher zeigte sich generöser als seine Brüder. Er lieh dem Brautpaar seinen gelben VW Käfer Cabrio für die Hochzeitsreise in den Bayerischen Wald. Dass er den Wagen wegen des Führerscheinentzugs vorübergehend sowieso nicht fahren konnte, erwähnte er nicht. Es änderte auch nichts daran, dass Heinz Höher von einer liebenswerten Großzügigkeit war. Ohne mit dem Geld um sich zu werfen, gab er es, ohne zu zögern, aus, wenn einer aus seiner Familie oder seiner Freunde ihn um einen Gefallen bat.
Als seine Schwester auf ihrer Hochzeitsreise in einem bayrischen Dorfgasthaus für sechs Mark Vollpension um sieben Uhr abends unter die brettharte Federdecke schlüpfte, weil sonst nichts mehr zu tun war im November im Bayerischen Wald, dachte Hilla darüber nach, wie anders ihr Bruder mit dem Geld umging. Er trug die Scheine locker in der Hosentasche. Während sie und ihr Mann sich ständig fragten, können wir uns das kaufen, kaufte ihr Bruder einfach. Von unten aus der Gaststube konnte sie in ihrem Hochzeitsreisebett noch die bayrischen Bauern Karten spielen hören.
Heinz Höher war einer von einem halben Dutzend Hochzeitsgästen, einer von 42000 Zuschauern, die im Müngersdorfer Stadion den Meidericher SV gegen den souveränen Bundesligatabellenführer 1. FC Köln kämpfen sahen. Er war gelassen, still, aber interessiert, ihm würde keiner etwas anmerken. Nur wer von den Männern der Hochzeitsgesellschaft exakt hinhörte, dem fiel vielleicht auf, dass Heinz Höher gelegentlich »die Meidericher« sagte. Und nicht »wir«.
Für Rudi Gutendorfs Abwehrreihe mit dem Doppelstopper musste ein Stürmer geopfert werden. Heinz Höher hatte es erwischt. Hatten zuvor ein Halbstürmer und ein Außenstürmer auf der linken Angriffsseite gespielt, so musste nun ein Angreifer beide Positionen ausfüllen. Dazu brauchte es einen besonders konstanten und laufstarken Fußballer. Der Trainer versuchte es mit Horst Gecks, Werner Kubek, Gustav Walenciak, aber nicht mit Heinz Höher. Die Interpretation fiel den Mitspielern leicht: Der Heinz rannte 60 Minuten wie verrückt, sagte Horst Gecks, und dann stand er so da: Hände in die Hüften gestemmt, Kopf hängend, Zunge aus dem Mund. Der Heinz hatte es schon mal drinnen, Scheiße zu spielen, sagte Manfred Manglitz: Das war ein Akademikerfußballer, während ich ein Straßenfußballer war.
In Köln, am Hochzeitstag von Hilla Höher, verteidigte der Meidericher SV meistens mit acht Spielern und besiegte fast den Tabellenführer. Erst zwei Minuten vor Spielende gelang dem Kölner Wolfgang Overath das Tor zum 3:3-Ausgleich.
Mit dem Overath hatte Heinz Höher vor ein paar Jahren mal zusammen beim mittelrheinischen Stützpunkttraining in Hennef trainiert. Damals hatte er dem Jungen große Geschichten aus der City-Bar erzählt. Und jetzt galt Overath als eine Entdeckung der Bundesliga, für ihn waren elegant spielen und ewig rennen kein Widerspruch.
Er würde wieder in die Mannschaft kommen, schwor sich Heinz Höher, als er, zurück auf der Hochzeitsfeier, zwei Bier und einen Klaren trank. Er würde trainieren wie verrückt und trank noch zwei Bier und einen Klaren.
In Meiderich zog er beim Training, ohne dass es jemand merkte, eine Bleiweste unter der Trainingsjacke an. Morgens, wenn die anderen auf der Phoenixhütte schufteten, trainierte er in Leverkusen mit dem Zehnkampf-Olympiasieger Willi Holdorf. Man kannte sich unter Sportstars in Leverkusen.
Einmal hatte er Holdorf zum Spaß fast totgefahren. Heinz Höher bog aus
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