Spieltage
erkennen, bevor sie entstand. Der 18-jährige Gerland war ein Vollblüter, und Jürgen Köper konnte an guten Tagen mit seinen 22 Jahren ein Mittelfeld dominieren. In der Szene sprach sich herum, Heinz Höher müsse ein begabter Trainer mit vielen neuen Ideen sein. Heinz Höher selbst fühlte sich, irgendwie, misstrauisch beäugt in Bochum. Er wusste noch nicht, dass ein Trainer nie frei von Kritik lebt.
Er musste die Leute in Bochum auf seine Seite bringen. Heinz Höher meldete sich zum Internationalen Bochumer Volkslauf an. Das war eine Werbeaktion, wie sie ihm vorschwebte, von der Art, wie er den Pennern in der Schlegel-Brauerei Dutzende vorgeschlagen hätte, hätten sie ihn nur machen lassen: Er würde sich volksnah zeigen und gleichzeitig als starker Athlet. Der Volkslauf ging über 50 Kilometer.
Seit er als Bundesligatrainer arbeitete, lief Heinz Höher täglich, vom Training quer durch die Stadt zurück nach Hause, morgens um halb sieben am Spieltag im Trainingslager, wenn die Spieler noch schliefen, abends am Spieltag, nach der Pressekonferenz im leeren Stadion, nichts war sinnlicher als die Ruhe eines leeren Stadions nach der Schlacht. Sonntagmorgens mussten die Ersatzspieler dran glauben, die samstags nicht zum Einsatz gekommen waren. Sie dienten Heinz Höher als Laufpartner, eine Stunde durch das Weitmarer Holz.
Den Volkslauf ging er in strammem Tempo an. Nach knapp über zwei Stunden passierte er die 25-Kilometer-Marke. Laufen war gesund. »Nach der Arbeit: die Freizeit nicht nur totschlagen«, klärte die Bundeszentrale für gesundes Leben in einer Aktion mit der Neuen Ruhr Zeitung auf: »Die Bundesbürger verbringen nur ein Drittel ihrer Freizeit im Freien. Am Feierabend ist mehr drin.« Hinaus ins Grüne also, schrieb die Bundeszentrale. Die Freizeit so zu nutzen, dass sie wirklich das Wohlbefinden steigerte – diese Kunst ohne Hinweise und Hilfe beherrschten allerdings nur wenige. So wurde die Volkslaufbewegung initiiert.
Heinz Höher machte es richtig, dachten so einige im Verein, er baute beim lockeren Laufen Stress ab. Dabei lief Heinz Höher, damit er ohne schlechtes Gewissen abends wieder zwei Bier und einen Klaren trinken konnte.
Nach Kilometer 30 beim Volkslauf wurden seine Beine schwach. Er verfiel ins Traben, dann ins Gehen. Drei Kilometer vor dem Ziel ging es bergauf. Zu seiner Rechten sah Heinz Höher die Bierkneipe Auf der Prinz. Sie führte ein ehemaliger Spielerkollege vom VfL, Hansi Grieger. Griegers Vater war dreimal gestorben. Jedenfalls hatte Grieger sein Fehlen beim Training dreimal mit dem Tod seines Vaters begründet. Heinz Höher setzte sich vor Griegers Kneipe auf die Fensterbank und trank zwei Bier und einen Klaren. Danach lief er weiter. Für die zweite Hälfte benötigte er über vier Stunden. Ob das den erhofften Imageerfolg bringen würde, vermochte er nicht zu sagen.
Aber selbstverständlich war das nicht seine letzte Idee, um seinen Ruf in Bochum zu festigen; um die Sticheleien von Formann in der WAZ endlich zum Verstummen zu bringen. Er würde so tun, als ob er zum Hamburger SV wechselte. Der HSV umwarb ihn, das war bereits an die Öffentlichkeit gedrungen. Er hatte kein Interesse, zum HSV zu wechseln. Aber er würde zu Gesprächen nach Hamburg fliegen. Mit seinem drohenden Abgang konfrontiert, würde Bochums Präsident Ottokar Wüst alles tun, um ihn zu halten, seine Wertschätzung im Verein und in der Stadt würde endlich steigen. Damit die Sache auch echt aussah, kündigte er seinen Vertrag beim VfL Bochum per Einschreiben.
Einige Tage später, der Frühling nahte, die Saison 1972/73 ging in die entscheidende Phase, die Vereine planten bereits das nächste Spieljahr, rief der Präsident des VfL Bochum Ottokar Wüst in der Bochumer Redaktion der WAZ an.
Herr Formann, Heinz Höher will den VfL verlassen. Er hat mir eine Kündigung per Einschreiben geschickt. Ich habe eine Ewigkeit auf ihn eingeredet – vergeblich. Er sagte mir, er gehe nach Hamburg, er halte Ihre Kritik nicht mehr aus. Bitte, treffen Sie ihn einmal. Ich verlange nicht, dass Sie Ihre hoch geschätzte Meinung einfach so ändern, aber ich denke, es wäre für alle Seiten hilfreich, wenn Sie Herrn Höher persönlich näher kennenlernten.
Wenn Herr Wüst meinte, sagte Heinz Formann.
Inzwischen flog Heinz Höher nach Hamburg. Er traf sich mit dem HSV-Präsidenten Herrn Dr. Barrelet in einem Hotel. Die Seele des HSV, Uwe Seeler, der ein Jahr zuvor seine Laufbahn beendet hatte, erschien, um Höher
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