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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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gleiten. Am Ende der Trainingsstunde trainierte Heinz Höher noch die Torhüter. Er hatte keinen Assistenztrainer. Er glaubte selbst nicht, dass jemand an seiner Seite arbeiten konnte.
    Die Bochumer Feldspieler schritten vom Rasen. Auf ihren Trainingsshirts hatten sich Schweißflecken gebildet.
    Du, sagte Jürgen Köper im Gehen zu Hannes Walitza: Ich hab ’ne Knarre dabei.
    Was hast du?
    Ich habe ’ne Knarre dabei. Bleib hier, ich hol sie.
    Jürgen Köper hatte einmal gedacht, er werde wie Heinz Höher. Ende der Sechziger, als Heinz Höher der Mann für den eleganten Moment beim VfL gewesen war, erschien Köper aus der Bochumer A-JugendElf als sein logischer Nachfolger. Köper konnte den Rhythmus eines Spiels setzen, indem er die Pässe beschleunigte oder verlangsamte. 1969 wurde der VfL mit ihm an der Spitze deutscher Jugendmeister. Bundestrainer Helmut Schön sprach ihn an. Geh zu Eintracht Frankfurt, riet ihm Schön. Dort kannst du Nationalspieler werden, in Bochum nicht, verstand Köper. Er blieb. Er hatte wie so viele, wie die meisten, eigentlich nur ein Ziel: in seinem Verein Stammspieler in der ersten Mannschaft zu werden.
    Heinz Höher ließ Köper in der Bundesliga im zentralen Mittelfeld spielen, doch er sperrte ihn – es war seine Wortschöpfung – in einen »Aufgabenkäfig«. Köper sollte in erster Linie den gegnerischen Spielmacher ausschalten, und nur wenn dann noch Kraft und Gelegenheit dazu blieben, selber einer sein.
    Mit 22 in der Bundesliga machte Köper eine Beobachtung: Die entscheidenden Läufe waren die Pseudosprints. Wenn er, ohne Hoffnung angespielt zu werden, trotzdem immer wieder kurz antrat, war der gegnerische Spielmacher verpflichtet mitzusprinten. Totale Manndeckung war Gesetz. Mit diesen Sprints machte er die Spielmacher mürbe, mit diesen sinnlosen Läufen entnervte er sie.
    Jetzt bleib doch mal stehen, rief Kölns Overath Köper zu: Wir wollen doch gar nicht gewinnen.
    In Jürgen Köpers langen Haaren schimmerte schon das Grau, er hatte Steuerberater gelernt. Für Heinz Höher, der nicht zeigen wollte, wenn er einen Spieler besonders mochte, war Jürgen Köper ein Lieblingsspieler. »Köper bringt selbst von mir nicht erwartete Leistungen«, schrieb er in sein Trainingsbuch. »Aber bei Handlungsfreiheit, bei Ausbruch aus dem Aufgabenkäfig wird es kritisch. Geistige Reife? Privatleben?«
    Jürgen Köper liebte Pistolen und Autos. Er hatte einen Waffenschein. Ins Trainingslager in der Sportschule Wedau hatte er eine Bentley White Air mitgebracht.
    Die übliche Kartenrunde, Hannes Walitza, Erwin Galeski und Jürgen Köper, suchte sich einen stillen Ort auf dem Gelände der Sportschule. Hinter den unzähligen Fußballplätzen, durch ein Gebüsch abgetrennt, lagen zwei Basketballfelder.
    Ich zeig euch das mal kurz.
    Jürgen Köper löste die Sicherung des Revolvers, zielte in der Sekunde, in der er die Waffe hob, und zerschoss den Basketballkorb.
    Mensch, lass mich auch mal, rief Walitza. Ich war auch bei der Bundeswehr.
    In vier Stunden spielten sie in der Bundesliga gegen Offenbach. Walitza drückte ab. Es gab einen lauten Knall, Jürgen Köper war überrascht, er hätte nicht gedacht, dass der Schuss trotz des langen Laufs einen Donnerschlag auslöste. Sie sahen auf. Der Basketballkorb war unversehrt. Walitza drückte noch mal ab, aus kurzer Distanz. Wieder nichts.
    Mensch, und du willst ein Torjäger sein, spottete Galeski.
    Beim Torwarttraining, auf der anderen Seite des Gebüschs, hörten Heinz Höher und seine Torhüter so ein Zischen in der Luft.
    Trainer, das sind Wespen, rief Werner Scholz, der erste Torwart, panisch. Wenn die mich stechen, kann ich nicht spielen, ich bin allergisch.
    Heinz Höher lauschte der Luft. Aber – was war das für ein Knall auf dem Basketballfeld, das waren doch keine Wespen. Wieder zischte es, direkt über ihnen. Er gehe mal kurz nachsehen, sagte Heinz Höher.
    Was macht ihr hier?
    Walitza, Galeski und Köper versuchten, dem Blick des Trainers auszuweichen. Er hatte schon entdeckt, was Walitza eilig auf den Boden gelegt hatte.
    Trainer, nehmen Sie die Knarre besser mit dem Badetuch, rief Köper, als er sah, wie Heinz Höher nach der Bentley griff.
    Was? Willst du mich auch noch auf den Arm nehmen?
    Dann stieß Heinz Höher einen kurzen Schmerzensschrei, fast nur ein Zischen aus. Er hatte sich am heißen Lauf des Revolvers verbrannt. Schließlich wickelte er die Waffe in das Badetuch, in dem Jürgen Köper sie aus seinem Zimmer geschmuggelt

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