Spieltage
hatte, und ging mit ihr in der Hand voran.
Das Torwarttraining sei zu Ende, sagte er Scholz. Die drei von der Pokerrunde watschelten hinter ihm her. Jürgen Köper hatte das sehr subjektive Gefühl, dass ihn auf dem Weg zurück ins Zimmer alle anstarrten.
Heinz Höher erwähnte den Vorfall bis zum Spiel mit keinem einzigen Wort mehr. Bochum verlor 2:3 gegen Offenbach, das nur ein Jahr nach dem Bundesligaskandal stärker denn je in die Erste Liga zurückgekehrt war. Jürgen Köper spielte irgendwie zerfahrener als gewohnt.
Drei Tage später musste Jürgen Körper vor dem Vorstand im Hinterzimmer des Haus Frein erscheinen. Die Woche hatte beim VfL ihre Ordnung: Dienstags tagte stets das Präsidium, donnerstags der Spielausschuss.
Es habe wohl eine Art Vorfall gegeben, eröffnete Ottokar Wüst die Sitzung, möge der Trainer, Fußballlehrer Höher, berichten.
Freitag, 15:10 Uhr, sagte Heinz Höher: Der Mannschaftsbus steht abfahrtsbereit vor dem Haus Frein, eine Knarre liegt geladen auf dem Rücksitz. Jürgen Köper verdient sich 5000 Mark Geldstrafe.
Die Vorstandsmitglieder sahen sich an. Einen Moment war es still. Heinz Höher hätte die Möglichkeit gehabt, seine mysteriösen Worte aufzulösen. Aber er hatte kein Interesse daran.
Er liebte es, in Rätseln zu sprechen. Er dachte, er stelle andere mit seinen Andeutungen und Wortspielen auf eine raffinierte Probe, das war doch die hohe Kunst der Sprache. Die anderen fanden vor allem ihn rätselhaft.
Nachdem Jürgen Köper reumütig den Sachverhalt aufgeklärt hatte, wurde er in der Tat mit einer Geldstrafe von 5000 Mark belegt. Man vereinbarte Stillschweigen. Bei Köpers nächster Vertragsverlängerung erhielt er dann ebenso stillschweigend einen Extraaufschlag von 5000 Mark. Damit war die Sache geklärt.
Der VfL wollte es sich nicht erlauben, dass irgendwelche Sperenzchen wie eine Pistole in der Sportschule den Zusammenhalt belasteten. Andere Bundesligisten hatten ihren Mythos wie Schalke 04, ihr Geld wie der Hamburger SV oder ihr Flutlicht wie der 1. FC Kaiserslautern. Der VfL Bochum hatte dieses Gefühl: wir zusammen. Ihr Kampfschrei, samstags um kurz vor halb vier in der Umkleidekabine, war: »Diesmal sind sie dran!«
Der einzige einladende Raum im Stadion an der Castroper Straße, wo die Spieler nach dem Training noch ein wenig zusammenbleiben konnten, war das gut 20 Quadratmeter große Büro, das Geschäftsstelle genannt wurde. Als Bundesligist leistete sich der VfL mittlerweile zwei Büromitarbeiterinnen, die zwei Christas, Frau Jewers und Frau Ternow. Macht ihr mal, sagte ihnen Präsident Wüst. So erledigten die zwei Christas die Korrespondenz mit dem DFB und führten die Therapiegespräche mit den Anrufern, die mal über den VfL und nach einigen Minuten über das Leben an sich schimpfen wollten. Die zwei Christas waren das Reisebüro, die Pressestelle und der Kartenvorverkauf des Vereins, und neuerdings wurden auch noch Souvenirs feilgeboten, Mannschaftsposter konnten postalisch bestellt werden. Abends meldete sich Christa Jewers manchmal noch mit »VfL Bochum« am Telefon. Dann merkte sie, ach so, ich bin ja schon zu Hause.
Bevor sie 1966 als junge Frau beim VfL anfing, hatte sich Christa Jewers nicht für Fußball interessiert. Nun unternahm sie einmal im Jahr gemeinsam mit Christa Ternow eine Wochenendreise, ohne Mann und Kind. Sie fuhren dann nach München, Nürnberg oder Berlin – in die Stadt, wo der VfL gerade spielte.
Wenn sich eine Christa beim Schreiben eines Briefs an den DFB in der letzten Zeile auf der Schreibmaschine vertippte, konnte sie den ganzen Brief noch einmal schreiben. Wenn sie ein ganz wichtiges Schreiben oder einen Vertrag zur Sicherheit kopieren wollten, mussten sie in die Stadt zum Aufsichtsratsvorsitzenden Heinz Brämer in die Westfalen-Bank fahren. Er hatte eine Kopiermaschine.
Nach dem Morgentraining, gegen 12 Uhr hingen die Fußballer bei ihnen auf der Geschäftsstelle herum. Die zwei Christas hatten eine Tüte Süßigkeiten in der Schublade.
Manchmal, wenn die Spieler merkten, die Christas hatten Stress, übernahmen Ata Lameck oder Hermann Gerland den Telefondienst. »VfL Bochum«, meldete sich Lameck: Ja, doch, Karten für das Spiel gegen den HSV gebe es noch, hier auf der Geschäftsstelle oder bei Sport Koch und Zigarren Hutmacher in der Stadt.
Heinz Höher gesellte sich bisweilen dazu. Er lehnte dann eine kleine Ewigkeit an der Bürowand und schwieg.
Mit ihm zu sprechen schien sogar unmöglich, wenn er etwas
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