Spieltage
zu beeindrucken.
Er konnte beim traditionsreichen, wirtschaftsstarken und ordentlich geführten Hamburger SV eine Mannschaft mit besseren Spielern aufbauen und mehr Geld verdienen. Stimmte etwas nicht mit ihm, dass er trotzdem gar nicht nach Hamburg wollte?
Heinz Höher strebte durchaus nach dem Höchsten. Bloß hatte er sich in seinem ersten Bundesligajahr einen fixen Traum geschaffen, was für ihn das Höchste wäre: mit Bochum wider alle Wahrscheinlichkeit einmal in einem Europapokalwettbewerb spielen.
Er sagte Uwe Seeler und Herrn Dr. Barrelet, er müsse über ihr Angebot nachdenken. Zurück in Bochum, erhielt er das Angebot, dass er sich wirklich erhofft hatte: Heinz Formann und seine Frau luden ihn und Doris zum Tanz in den Mai in einen Tennisklub ein.
Dann können wir das Taxi eigentlich auch gemeinsam nehmen, sagte Formann am Ende des Abends. Die Formanns wohnten in der Hugo-Schultz-Straße in Ehrenfeld. Das lag auf dem Weg in die Kaulbachstraße.
War ein schöner Abend, sagte Formann, als er ausstieg.
Es habe sie sehr gefreut, sagte Doris.
Wirklich sehr nett war es, sagte Frau Formann.
Wenn er nichts dagegen habe, sagte Heinz Höher zu Heinz Formann, würde er noch mit heraufkommen.
Heinz Höher war recht angetan von dem grünen Cordsessel, den ihn Formann im Wohnzimmer anbot. Frau Formann verschwand geschwind im Schlafzimmer. Ihr Mann legte die neue Langspielplatte von Daliah Lavi auf.
»Wär ich ein Buch zum Lesen«, sang Daliah, »welche Art von Buch wär ich? Eins, das noch nie da gewesen, wäre ich ein Buch für dich?«
Als die Platte zu Ende war, sagte Heinz Höher: Legen Sie bitte noch mal auf, Herr Formann.
Er sagte in den folgenden Stunden mindestens fünfmal: Legen Sie bitte noch mal auf, Herr Formann. Bis die Sonne aufging, redeten sie über den VfL, das alte Stadion und Majgl, der statt Lothar Emmerich gekommen war. Danach war, soweit Heinz Formann das überblickte, ein Wechsel von Heinz Höher zum Hamburger SV nie mehr ein Thema.
Heinz Höher fand, dass die Berichte von Heinz Formann danach nicht unkritischer, aber ausgewogener, verständnisvoller wurden. Eines hatte er allerdings nicht bedacht. Von dem Moment an, als er endlich Formann auf seiner Seite hatte, hatte er automatisch Franz Borner von den Ruhr Nachrichten gegen sich.
Die Siebziger
Und im Kopf ein Gefühl: Das war die große Zeit
Trinken sei ungesund, erklärte Heinz Höher seinen Spielern. Er redete nicht vom Alkohol, sondern von Wasser, Saft, jeder Art von Getränk. Eine bahnbrechende sportmedizinische Erkenntnis hatte sich Anfang der Siebzigerjahre in der Bundesliga ausgebreitet: Je weniger Flüssigkeit ein Fußballer zu sich nahm, desto besser konnten seine Muskeln wachsen und wirken. Wer genau diese Erkenntnis aufgestellt hatte, vermochte schon bald niemand mehr in der Bundesliga zu sagen, aber die meisten Trainer verfolgten die Idee beharrlich. Im Trainingslager, nach einem harten Morgentraining, bekamen die Spieler des VfL Bochum nur ein Glas Wasser zum Mittagessen. Ihren Kollegen bei Eintracht Frankfurt ging es nicht anders, dehydriert tranken die Frankfurter in ihrer Verzweiflung heimlich das Duschwasser, bis Trainer Erich Ribbeck hereinkam und sofort die Duschen abdrehte. Helmuth Johannsen, der unter anderem Hannover 96 trainierte, begleitete seine Spieler in der Halbzeit zur Toilette, um zu überwachen, dass bloß niemand etwas trank. So weit ging Heinz Höher nicht. Er legte mehr Wert darauf, seine eigenen Ideen zu entwickeln.
So liefen die Spieler des VfL Bochum am 19. Mai 1973, fünf Stunden vor dem Bundesligaspiel gegen Kickers Offenbach, über den Trainingsplatz der Sportschule Wedau. Heinz Höher hatte es sich angewöhnt, am Morgen vor einem Bundesligaspiel noch einmal in einem leichten Aufgalopp die Muskeln anzureizen und den Geist zu erfrischen. Bloß hatte es an diesem wunderschönen Samstag um halb elf bereits 20 Grad. Bei heißem Wetter, erklärte Heinz Höher seiner Mannschaft, sei es erst recht wichtig, den Körper vor dem Spiel an die Temperaturen zu gewöhnen. In den Gesichtern seiner Fußballer sah er nicht gerade Begeisterung über seine neueste Idee. Das sagt die moderne Sportmedizin!, schob Heinz Höher hinterher.
Franz Beckenbauer, der mit Bayern München vor seinem Auswärtsspiel in Düsseldorf ebenfalls in der Sportschule Wedau übernachtet hatte, plauschte leger mit ein paar Begleitern im Halbschatten auf der Terrasse. Dann und wann ließ er den Blick über die laufenden Bochumer
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