Spieltage
beherzigen: Nie dürfen wir uns gegen unseren Willen einen Spieler wegkaufen lassen, sagte Höher.
Ottokar Wüst nickte.
Konstanz war die Seele des Erfolgs. Es war auch nicht außerordentlich schwer, die wichtigsten Spieler in Bochum zu halten. Die meisten wollten sowieso nicht weg. Außer Stürmer Hannes Walitza arbeitete auch keiner von ihnen mit Spielerberatern zusammen. Und wenn beim VfL für Jürgen Köper Angebote von anderen Bundesligisten eingingen, hielt Wüst sie so lange hin, bis sie aufgaben. Köper selbst informierte er am besten gar nicht darüber.
Im Herbst 1973, nach dem zehnten Spieltag in Heinz Höhers zweiter Bochumer Saison, lag der VfL auf Rang drei der Bundesliga.
Walter Czech, der Wirt im Haus Frein, tischte sein Spezialgetränk auf, den Pulimo. Jedenfalls verstand Jürgen Köper immer: »Hier kommt der Pulimo«, wenn Czech eine riesige Bowle auf den Tisch im Hinterzimmer stellte, wo der VfL nach jedem Heimspiel gemeinsam aß. Über ein genaues Rezept für den Pulimo verfügte Walter Czech nicht. Er schüttete alle alkoholischen Getränke zusammen, die gerade vorhanden waren. Da habe er auch etwas Neues, sagte der Wirt und servierte Apfelkorn in Weingläsern.
Vorzüglich, der Wein, sagte Präsident Wüst, nachdem er gekostet hatte, und niemand vermochte zu sagen, ob Wüst den Apfelkorn tatsächlich für Wein hielt oder den Schabernack auf die Spitze trieb.
Zu Auswärtsfahrten bereiteten die Wirtsleute Czech den Bochumer Fußballern Lunchpakete zu. Nach Heimspielen kamen die Fans, aber auch der Schiedsrichter mit der Mannschaft ins Haus Frein. Wenn sich seine Spieler nicht fallen ließen, könne er auch keinen Elfmeter pfeifen, sagte Walter Eschweiler auf dem Weg ins Haus Frein zu Heinz Höher. Ein anderer Schiedsrichter, Wolf-Dieter Ahlenfelder, stieg auf die Theke und dirigierte die Fangesänge »Deutscher Meister wird nur der VfL«.
Niemand wäre auf die Idee gekommen, Ahlenfelder könnte parteiisch sein. Vermutlich gab er dieselbe Aufführung auch in Dortmund oder Braunschweig.
Ach, kommt doch mit zu uns, sagte Doris nach dem Abendessen im Haus Frein zu einigen Funktionären und Spielern des VfL und ihren Frauen.
Ohne so richtig zu merken, wie, war sie mit ihrer lebensfrohen Art zur Trainerin der Spielerfrauen geworden. Sie organisierte regelmäßig Treffen. Sie gingen auf die Kegelbahn oder strickten zusammen. Der Bochumer Geist, diese Ausgelassenheit, dieses Gemeinschaftsgefühl, blühte auch hier.
Samstagabends gaben die Höhers gerne spontan einen Hausball.
Ein Partykeller mit Hausbar war der letzte Schrei, wer als Bundesligaprofi ein Haus baute, musste einen Partykeller einplanen. Den hatten die Höhers in ihrer Dreizimmerwohnung in der Kaulbachstraße selbstredend nicht vorzuweisen. Aber wenn wir was können, sagte Doris, dann feiern. Eisgekühlte Sektgläser hatten sie jederzeit im Kühlschrank. Samstagabends standen Doris oder Heinz an der Tür, um jeden Gast mit einem eisgekühlten Bommerlunder zu begrüßen. Ein Bommi, sagten sie.
Auf dem Schallplattenspieler liefen die neuesten Hits, It never rains in California, Samstagabend in unserer Straße, Ginny come lately. Beim Crocodile Rock warfen Doris und ihre Schwester Helga die Fäuste in die Luft, da musste auch Heinz Formann mittanzen, ob er wollte oder nicht, er wurde gepackt und auf die Tanzfläche gezogen, die spontan mal im Flur, mal im Wohnzimmer zwischen Tisch und Fernseher entstand. Niemand traute sich, Heinz Höher zu packen und auf die Tanzfläche zu ziehen.
Einmal war Ingrid, die Frau von Jürgen Köper, zu früh zu Doris gekommen. Heinz Höher öffnete ihr die Tür. Doris war noch nicht zu Hause. Ingrid wartete mit Heinz Höher im Wohnzimmer. Er war keineswegs unhöflich, aber zwischen seinen wenigen Worten breitete sich immer diese unbehagliche Stille aus. Ingrid war erleichtert, als Doris endlich erschien.
Doch samstagabends beim Hausball, wenn Elton John den Crocodile Rock sang, war Heinz Höher glücklich. Die zwei Bier und der eine Klare lösten seine Sperre im Hals. Den anderen erschien er weiterhin zurückhaltend. Heinz Höher selbst fand sich gelöst und entspannt, endlich.
Nach zwei Bier und einem Klaren sagte er einem Fan, der im Trainingslager im Schwarzwald ausdauernd um einen VfL-Wimpel bettelte: Nur wenn du ihn mit dem Mund aus der Plastiktüte holst. Müller, der Busfahrer des VfL, war zugegen. Jedes Mal, wenn der Fan den Wimpel mit dem Mund zu packen bekam, zog ihm Heinz Höher die Tüte
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